Frauenpolitik und Personalmangel: Reizender Burnout

Frauen sollen den Fachkräftemangel beheben, mehr Kinder kriegen und pflegen. Sonst noch was?

Ein Schnuller liegt auf dem Asphalt

Was ist mit den Kindern, wenn Mütter in Vollzeit arbeiten? Foto: Wassilis Aswestopoulos/imago

Neulich beim Pressefrühstück eines Personalvermittlers. Das Thema, zu dem man eingeladen hatte, klang ganz up to date. Man wolle über den „akuten Fachkräftemangel und die Erwerbssituation der Frauen“ sprechen, hieß es. Eigentlich eine gute Sache. Doch dann kam es. Angesichts des Personalmangels sei die Teilzeitarbeit der Frauen ein „zweifelhafter Luxus“ sagte eine SPD-Frau am Tisch. Frauen seien eine „wichtige und unausgeschöpfte Ressource auf dem Arbeitsmarkt“, betonte eine Verbandschefin. Unausgeschöpfte Ressource, aha. Haben diese beiden Frauen sich mal in den typischen „Frauenberufen“ umgesehen?

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Man stelle sich vor, bei einem Automobilhersteller gäbe es zu wenig Personal. Und dann lässt der Betrieb das Band einfach schneller laufen, sollen die Leute halt flotter malochen. Wird jemand krank, werden Abwesende in ihrer Freizeit angerufen: Hey, du musst kommen, hier brennt die Hütte. Kommst du nicht, bist du unsolidarisch! Und wenn die Personallücken bleiben, spart man sich eben einfach eine Lackschicht auf den Autos. Geht auch so.

Voilà, so ist es in der Pflege. Männern würde man so was nicht zumuten, schon gar nicht, wenn es um Autos geht.

Frauen sind Fachkraft, Hilfskraft und Mutter Teresa in einem. Und sie sollen Kinder bekommen. Mehr Kinder. Die Demografie, die Überalterung! Her mit den Kindern, möglichst aus höher gebildeten Familien, dafür wurde schließlich das Elterngeld erfunden. Nur: Was ist mit den Kindern, wenn Mütter in Vollzeit arbeiten?

Eine gerade veröffentlichte Bertelsmann-Studie stellte fest, dass Hundertausende Kitaplätze fehlen, wegen Personalmangels. Mütter sollen in Vollzeit ackern, aber die ganztägige Kinderbetreuung ist nicht da. Wie soll das funktionieren? Sollen sich Frauen die Babys einfach auf den Rücken binden und so zur Arbeit gehen?

Es kommen auf die Frauen immer neue Aufgaben zu, wobei die neuen manchmal auch die alten sind. Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, erzählte neulich, dass die Pflegekräfte vorschlagen, Angehörige mehr in der Pflegearbeit zu „schulen“, weil es die professio­nellen Kräfte allein nicht mehr schaffen. Die Eltern werden alt, und es reicht nicht, auf professionelle Pflegedienste zu setzen, Mütter und Töchter müssen wieder ran. Es sei denn, man bezahlt extra private Hilfen. Womit wir beim Geld wären.

Frauen müssen mehr Geld verdienen. Vor 15 Jahren wurden die Unterhaltsansprüche nach Scheidungen gekürzt. Man wollte damit unter anderem den Müttern einen „Anreiz“ bieten, frühzeitig mehr eigenes Geld zu verdienen. Mehr Anreize zur Arbeit, auch für Alleinerziehende, das empfahl ja auch kürzlich Finanzminister Lindner. Frauen wird von der Politik ständig irgendeine Reizwäsche unter die Nase gehalten, sehr charmant, danke.

Frauen sollen die eierlegende Wollmilchfrau sein, ein All-in-one-Sonderangebot. Wenn es nicht klappt, Pech gehabt. Alleinerziehende tragen ein so hohes Armutsrisiko wie kaum jemand. Interessiert nicht wirklich. Sollen die Frauen halt bessere Beziehungsarbeit leisten, dann bleibt auch der Mann.

Im amerikanischen Management gibt es einen Trick, wenn Führungskräfte ihre Untergebenen ausbeuten. Der Boss sagt: „Hey, ich weiß, du schaffst es! Ich glaube an dich. I trust you!“ Und dann kommt eine Monsteraufgabe, die nicht zu schaffen ist ohne anschließendes Burn-out. Tja.

Es ist eine alte Geschichte: Nützlichkeitserwägungen werden gerne als Emanzipation der Frau verkauft. Da kann einem schlecht werden.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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