Urteil des EuGH: Schranken für die Schufa

Der Europäische Gerichtshof schränkt das umstrittene Scoring der Auskunftei ein. Laut Experten könnte auch das Geschäftsgeheimnis ins Wanken geraten.

Ein Mann gibt die Infos seiner Kreditkarte für eine Online-Zahlung am Laptop an

Wie darf ich beim Online-Shopping zahlen? Darüber entscheidet häufig der Schufa-Score Foto: Ivana Kojic/Westend61/imago

BERLIN/FREIBURG taz | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit zwei Urteilen einen wichtigen Teil des Geschäftsmodells der Auskunftei Schufa weitgehend infrage gestellt. Deren Bonitätseinschätzungen werden derzeit wohl ohne Rechtsgrundlage erstellt und wären damit rechtswidrig, das heißt, die Schufa müsste alle sogenannten Scoring-Werte der Bun­des­bür­ge­r:in­nen löschen.

Die Schufa hat Informationen über 68 Millionen Menschen gespeichert. Ihre Computer berechnen aus diesen Daten nach einem geheimen Algorithmus, die Wahrscheinlichkeit, ob jemand in der Lage ist, etwa die Rechnung für einen Mobilfunk-Vertrag zu begleichen oder einen Kredit zurückzuzahlen. Der EuGH musste sich auf Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden in zwei Verfahren mit der Schufa beschäftigen.

Im ersten Urteil stellte der EuGH fest, dass die Erstellung der „Wahrscheinlichkeitswerte“ durch die Schufa eine automatisierte „Entscheidung“ ist, die gemäß Artikel 22 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) grundsätzlich verboten ist. Der EuGH wies das Argument der Schufa zurück, sie bereite nur die Entscheidungen der Banken und Mobilfunkunternehmen vor.

Bereits die Bonitätseinstufung der Schufa könne die Betroffenen „zumindest erheblich beeinträchtigen“, weil sie laut VG Wiesbaden „maßgeblich“ für die Bereitschaft der Unternehmen ist, einen Vertrag abzuschließen. Würde erst auf das Handeln der Banken und Mobilfunkunternehmen abgestellt, käme es laut EuGH zu „Rechtsschutzlücken“.

Zwar ermöglicht Artikel 22 DSGVO, dass automatisierte Entscheidungen durch andere EU- oder nationale Gesetze erlaubt werden. In Deutschland gilt bisher Paragraf 31 Bundesdatenschutzgesetz als Erlaubnis des Scorings. Der EuGH hat gegen diese Norm jedoch „durchgreifende Bedenken“. Wenn das VG Wiesbaden dem folgt, handelt die Schufa bei ihren Bonitätseinstufungen ohne Rechtsgrundlage und damit generell rechtswidrig.

Bonitätseinstufungen versus Grundrechte

Theoretisch kann der Bundestag Paragraf 31 nachbessern, um das Geschäft der Schufa und ähnlicher Auskunfteien wie Creditreform zu retten. Dabei muss er aber die Anforderungen des EuGH aus seinem zweiten Schufa-Urteil beachten. Danach müssen die berechtigten Interessen der Schufa und auch der deutschen Wirtschaft an kurzfristig verfügbaren Bonitätseinstufungen stets mit den Grundrechten der gespeicherten Bür­ge­r:in­nen abgewogen werden.

Wie streng der EuGH dabei ist, zeigt er im konkreten Fall: So dürfe die Schufa Daten über eine Restschuldbefreiung nicht drei Jahre speichern, wenn sie im staatlichen Insolvenzregister nach sechs Monaten gelöscht werden muss. Die Schufa hat das geahnt und schon vor dem Urteil die Speicherung auf sechs Monate verkürzt. Doch auch eine sechsmonatige Speicherung könnte unzulässig sein, weil die Daten ja bereits im Insolvenzregister zur Verfügung stehen. Dies muss aber letztlich noch das VG Wiesbaden entscheiden.

Was das alles für Ver­brau­che­r:in­nen bedeutet, ist noch nicht abzuschätzen. Zunächst ist abzuwarten, wie die Schufa, deutsche Gerichte und der Gesetzgeber mit dem EuGH-Urteil umgehen.

Der Verbraucherschutzverband Finanzwende begrüßte das Urteil. Es werde die Auskunftei zwingen, verantwortungsvoller als bisher mit ihrer Quasimonopolstellung umzugehen. „Die Macht der Schufa bröckelt – das wird auch höchste Zeit“, so Finanzwende-Mitarbeiter Michael Möller.

Der Datenschutzjurist Peter Hense von der Kanzlei Spirit Legal spricht vom Ende eines „seit Jahren rechtswidrigen“ Geschäftsmodells: „Diese rechtswidrigen Schufa-Scores haben ihre toxische Wirkung entfaltet, indem sie von verschiedenen Unternehmen – von Banken über Versicherungen bis hin zu E-Commerce-Unternehmen – als verlässliche Indikatoren angesehen wurden.“ Das stelle sich nun als falsch heraus.

Laut dem Verbraucherrechtsanwalt Christian Solmecke könnte die Schufa in weiteren Gerichtsverfahren dazu gezwungen werden, genauer zu erklären, wie der Score berechnet wird – also welche Faktoren eine Rolle spielen und wie sie gewichtet werden. Bislang macht die Schufa hier nur einen Ausschnitt öffentlich. „Je nachdem, wie deutsche Gerichte das EuGH-Urteil interpretieren, könnte damit das Geschäftsgeheimnis der Schufa ebenfalls ins Wanken kommen“, so Solmecke.

Die Schufa selbst hingegen teilte in ihrer Einschätzung mit, dass die Mehrheit ihrer Geschäftskunden – etwa Banken, Mobilfunkanbieter oder Online-Händler – die Scoring-Daten weiter nutzen könne. Vorstand Ole Schröder wünscht sich allerdings von der Bundesregierung, das Bundesdatenschutzgesetz so anzupassen, dass die rechtlichen Bedenken des EuGH ausgeräumt würden.

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