Razzia bei der Zora in Berlin: Polizei bläst zum Berliner Herbst

In Berlin durchsucht die Polizei Räume einer propalästinensischen Gruppe – wegen eines Instagram-Posts. Die Repression erreicht damit neue Ausmaße.

Propalästinensische Demonstranten auf dem Alexanderplatz in Berlin.

Propalästinensische Demonstrationen stehen seit Monaten im Visier der Polizei Foto: Jörg Carstensen/dpa

Die Razzia überzogen zu nennen wäre noch eine Untertreibung: Ganze 170 Polizeibeamte brauchte es, um am Mittwochmorgen Wohnungen und ein Café in fünf Stadtteilen zu durchsuchen. Anlass für den Schlag gegen die Mitglieder der feministischen Organisation „Zora“ waren nicht etwa handfeste Terrorpläne, sondern lediglich ein Post auf Instagram Mitte Oktober.

In dem Beitrag hatten die Aktivistinnen auch keine Sympathien für die Hamas gezeigt, wie ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei insinuierte. Im Gegenteil schrieb die Zora, „dass die Hamas kein Interesse daran hat, das Patriarchat zu zerschlagen“. Anstoß erregte vielmehr ihr Aufruf zur Unterstützung der marxistisch-leninistischen Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Deutschland als Terrororganisation einstuft.

Die Durchsuchungen sind ein neues Blatt im Repressionskatalog gegen propalästinensische Kräfte: Demoverbote, Beschneidungen der Meinungsfreiheit und Ausladungen im Kulturbetrieb stehen seit Monaten auf der Tagesordnung. Mit der Razzia bekommt das Vorgehen eine neue Qualität. Der Historiker Quinn Slobodian fühlte sich in einem Essay im New Statesman jüngst an die politische Repression gegen Linke und Studierende in den 1970er Jahren erinnert. Auch die Gesinnungsschnüffelei à la Radikalenerlass ist zurück, wenn Sachsen-Anhalt heute die Staatsbürgerschaft an ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels koppeln will.

Zur Zeit des Deutschen Herbstes beging auch die PFLP Terroranschläge in Israel und entführte Passagierflugzeuge, Kämp­fe­r:in­nen der Roten Armee Fraktion ließen sich in Pali-Camps an der Waffe schulen. Von einer solchen Gewaltdynamik seitens antiimperialistischer Linker sind wir in Deutschland weit entfernt. Politik und Polizei scheinen nichtsdestotrotz vom Geist der 1970er getrieben.

PFLP gegen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen

Linke, die es mit der Palästina-Solidarität ernst meinen, sollten gleichfalls einen großen Bogen um die PFLP machen, denn die Gruppe erhält Gelder aus dem Iran und unterstützt das syrische Assad-Regime. Beide Parteien begingen im syrischen Bürgerkrieg brutale Verbrechen auch an palästinensischen Zivilisten: So belagerten und bombardierten syrische Truppen das palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk in Damaskus – unterstützt von einer syrischen Abspaltungsgruppe der PFLP.

Dennoch stellt sich die Frage, wieso heute immer mehr Menschen – auch in Berlin – den Rückschritt zum bewaffneten Kampf gegen Israel als letzten Ausweg sehen. Die Gründe dafür sind offensichtlich die andauernde Besatzungsherrschaft im Westjordanland und der Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gaza. Die Fatah-Partei hingegen, die 1993 den bewaffneten Kampf aufgab, wird von vielen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen nur noch als Erfüllungsgehilfin der Besatzung gesehen. Wenn die deutsche Politik nach effektiven Lösungen gegen Terror sucht, sollte sie dieses Unrecht lieber an der Wurzel bekämpfen.

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Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Seit April 2023 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Klima & Energie, und Kultur.

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