Islamistische Terrorgefahr: „Gefahr so hoch wie lange nicht“

Der Verfassungsschutz warnt vor Anschlägen: Der Nahostkrieg radikalisiere Einzeltäter. Nun wurden zwei junge Terrorverdächtige verhaftet.

Haldenwang vor blauer Wand

Verfassungsschutzpräsident Haldenwang warnt vor erhöhter Terrorgefahr Foto: Annegret Hilse/reuters

BERLIN taz | Erst am Dienstag schlug die Polizei zu. Sie verhafteten nach taz-Informationen in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg einen 15- und einen 16-Jährigen, denen ein islamistischer Anschlagsplan vorgeworfen wird. Sinniert haben sollen sie über eine Tat mit Brandsätzen oder einem Kleintransporter.

Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte am Mittwochnachmittag, dass das Amtsgericht Leverkusen gegen den 15-Jährigen einen Haftbefehl erlassen hat, „wegen des Verdachts der Planung und Vorbereitung eines terroristisch motivierten Anschlages“.

Er habe mit dem 16-Jährigen aus Brandenburg eine Tat in Anlehnung an den IS vorgehabt: Der Plan sei gewesen, einen Kleinlaster mittels Brennstoff auf dem Weihnachtsmarkt Leverkusen explodieren zu lassen und damit Menschen zu töten. Dafür habe er auch bereits Benzin gekauft, das bei der Festnahme aber nicht gefunden wurde, so die Behörde. Im Anschluss hätten beide Jugendlichen geplant, zum afghanischen IS-Ableger „Provinz Khorasan“ auszureisen.

Laut WDR soll der 15-Jährige aber auch in einem Telegramvideo zum „Heiligen Krieg“ gegen den Westen aufgerufen und einen Anschlag in Deutschland am 1. Dezember angekündigt haben.

Auch IS und Al-Qaida dockten an Nahostkonflikt an

Am Donnerstagmorgen bestätigte auch die Staatsanwaltschaft Neuruppin, dass gegen den 16-Jährigen aus Ostprignitz-Ruppin wegen des gleichen Vorwurfs Haftbefehl erlassen wurde. Aufgrund des jugendlichen Alters wollten sich beide Behörde vorerst aber nicht weiter zu dem Fall äußern.

Der Fall zeigt, wie angespannt die Sicherheitslage momentan ist. Erst vor vier Wochen war in Duisburg ein 29-jähriger IS-Anhänger festgenommen worden, der einen Anschlag auf eine proisraelische Demonstration geplant haben soll.

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, warnte am Mittwoch denn auch vor einer Anschlagsgefahr, die „so real und so hoch wie seit Langem nicht mehr“ sei. Es zeichne sich angesichts der Nahostkriegs „eine neue Qualität“ ab: Schon länger gebe es im dschihadistischen Spektrum Aufrufe zu Attentaten, zuletzt verstärkt etwa durch Koranverbrennungen in Schweden.

Er habe immer wieder betont, dass jeden Tag auch in Deutschland ein islamistischer Anschlag verübt werden könne, so Haldenwang. Nun dockten der IS und Al-Qaida auch noch an den Nahostkonflikt an. Diese Gefahr treffe auf Personen, die durch den Krieg „hoch emotionalisiert“ seien und sich durch „Trigger-Ereignisse“ inspirieren ließen. Die Gefahr durch radikalisierte Einzeltäter sei damit hoch.

Haldenwang sprach von einer „komplexen und angespannten Bedrohungslage“ durch parallele Krisen, die durch den Hamas-Terror gegen Israel verstärkt werde. Neben Islamisten würden auch deutsche und türkische Links- und Rechtsextremisten derzeit gegen Israel agitieren. Das gemeinsame Feindbild schaffe alte wie neue Verbindungen. Dazu komme eine „digitale Bilderflut in sozialen Medien“, oft gepaart mit Fake News, die zur Emotionalisierung und Radikalisierung beitrage.

Haldenwang versicherte, dass die Sicherheitsbehörden „mit Hochdruck“ daran arbeiteten, um Anschläge und Gefahren für Jüdinnen und Juden „zu durchkreuzen“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zuletzt für die Hamas und deren Unterstützerverein Samidoun Betätigungsverbote in Deutschland erteilt und das Islamische Zentrum in Hamburg (IZH) durchsuchen lassen.

Auch BKA warnt vor Eskalation

Auch BKA-Präsident Holger Münch hatte zuletzt angesichts des Nahostkriegs gewarnt: „Das Eskalationspotential ist hoch.“ Seine Behörde zählt derzeit 486 islamistische Gefährder, denen die Sicherheitsbehörden Anschläge zutrauen – 90 von ihnen sind immerhin in Haft und 182 sollen sich im Ausland befinden. Der Rest befindet sich auf freiem Fuß.

Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz erklärte, man müsse die erhöhte Anschlagsgefahr „sehr ernst nehmen“. Die Sicherheitsbehörden sollten dafür mit internationalen Partnern kooperieren. Auch der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle lobte, dass die Behörden „proaktiv“ auf die Gefahr aufmerksam machten.

Aktualisiert am 30.11.2023 um 11:25 Uhr. d. R.

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