Deutsches Auftaktspiel bei Handball-EM: Show mit Hand und Fuß

Das deutsche Team überzeugt zum Auftakt der Handball-EM gegen die Schweiz. Hauptdarsteller ist der überragende Torwart Andreas Wolff.

Andreas Wolff ballt die Faust

Starker Rückhalt: Andreas Wolff parierte 61 Prozent aller Würfe Foto: Tom Weller/dpa

Weltklasse? Bundestrainer Alfred Gislason wählte dieses Prädikat, um Andreas Wolff einzustufen. Der Torwart der deutschen Handballnationalmannschaft hatte am Mittwochabend in Düsseldorf 61 Prozent der Würfe der Schweiz abgewehrt, ehe er in der 51. Minute unter lautem Geschrei ausgewechselt wurde – das 27:14 im Auftaktspiel der EM hierzulande ging weitgehend auf seine Kappe.

Damit erwischte die deutsche Auswahl jene erhoffte Welle, die sie weit tragen soll – zunächst geht es am Sonntag und Dienstag in Berlin gegen Nordmazedonien und Frankreich weiter. Ein Sieg gegen die Südosteuropäer wäre gleichbedeutend mit dem Einzug in die Kölner Hauptrunde. Natürlich warnte Gislason schon einmal vor den Mazedoniern, die im frühen Mittwochspiel 29:39 gegen Frankreich verloren.

Das aber war zunächst kein Thema an diesem Abend. Wie magnetisch zog Andreas Wolff in seinem gelben Trikot die Bälle an, so dass die anfangs etwas nervösen Deutschen von 5:3 und 10:4 zum Halbzeitstand von 13:8 kamen. Dabei blieb Wolff sehr ruhig.

Warum er im Weltrekord-Spiel vor 53.586 Fans im Fußballstadion nicht mehr aus sich herausgekommen sei? „Ich bin ja schon ein paar Jahre dabei und muss der Rolle des erfahrenen Spielers gerecht werden“, sagte Wolff ohne einen Hauch von Ironie. Zumindest einen Teil dieser staatsmännischen Haltung kassierte der 32 Jahre alte Torwart dann gleich wieder ein: „Wenn ich anfange, 60 Minuten zu schreien, halte ich das nicht durch.“

Mit Energie und Spielintelligenz

Von allen Seiten kam das Lob, das gleich noch eine Erklärung für die schwache Leistung der Schweiz mitlieferte: „Wenn ein Torwart so hält wie Andi heute, wird es für jeden Gegner schwierig bis unmöglich“, sagte Kapitän Johannes Golla. Kreisläufer Justus Fischer bemerkte: „Mit solch einem Torwart im Rücken kann eine Abwehr auch mal einen Zweikampf mit weniger als 100 Prozent führen.“

Das war aber erst zum Ende der einseitigen Partie möglich, denn vorher hatte die Deckung dem Torwart das Leben leicht gemacht, wie Wolff selbst auch hervorhob. Tatsächlich war der gar nicht so versteckte Champion im deutschen Auftritt Julian Köster vom VfL Gummersbach: Mit viel Energie und großer Spielintelligenz unterband er Angriff um Angriff, war in der deutschen Abwehr diesmal sogar auffälliger als sein Partner Johannes Golla.

Wer das von oben auf den entfernten Rängen genauer betrachten wollte, hätte ein Fernglas benötigt – die Abmessungen an diesem Handballabend waren andere als die herkömmlichen, und auch das Publikum war ein weniger sachkundiges als gewohnt, dem man zum Beispiel via Lautsprecher erklären musste, dass der Gegner beim Warmmachen im Handball nicht ausgepfiffen wird.

Andreas Wolff als Hauptdarsteller

Letztlich gelang es aber trotz der Weite der Arena ganz gut, sich auf das Geschehen da unten zu fokussieren – was natürlich auch daran lag, dass es mit Andreas Wolff einen Hauptdarsteller gab, dem man bei seiner Action-Show mit Füßen unter der Latte und Paraden im Liegen gern zuschaute. Was er leistete, verstanden auch diejenigen, die hier womöglich zum ersten Mal beim Handball waren.

Dem Druck hatten die Deutschen überzeugend getrotzt – und ein paar Wohlfühlmomente aufgesogen: Als ab der 38. Minute aus einem 15:10 rasch ein 19:10 wurde, war die Arena in Partylaune und die Mannschaft legte alle Fesseln ab: „Ich würde am liebsten gleich wieder hier spielen“, sagte der junge Neuling Hanne, der zugab, beim Einlaufen und der Hymne ein paar Tränen verdrückt zu haben.

Groß war der Druck gewesen, diese erste Aufgabe lösen zu müssen. Eine Niederlage gegen die Schweiz hätte wohl alle Träume vom Halbfinale schon zum Start durchkreuzt. Dabei war es ein Erfolg der Gruppe, der den Bundestrainer begeisterte: „Jeder, der reinkam, war gut und hat ohne Nervosität gespielt. Es gab keinen Bruch im Spiel.“

Ob Sebastian Heymann, Martin Hanne, Jannik Kohlbacher, Renars Uscins oder am Ende Philipp Weber – das deutsche Spiel blieb fokussiert und konturiert, was man phasenweise in den Tests gegen Portugal vermisst hatte. Gislason setzte alle Spieler ein, elf Profis trugen sich in die Torschützenliste ein: mögen die Deutschen – abgesehen von Andreas Wolff – auf vielen Positionen eben nicht „Weltklasse“ sein, so könnte die Breite des Kaders auf dem langen Weg dieser EM ein großer Vorteil werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.