Solarindustrie in Gefahr: Unternehmen droht mit Abzug

Die Politik soll für bessere Bedingungen sorgen, fordert der Solarhersteller Meyer Burger. Sonst will er seine Fabrik von Sachsen in die USA verlegen.

Eine Maschine zur Herstellung von Solarzellen.

Eine moderne Solarzellen-Produktionsanlage von Meyer Burger im September 2023 Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Die größte europäische Fabrik für Solarmodule droht in die USA abzuwandern. Der Schweizer Hersteller Meyer Burger will seinen Betrieb im sächsischen Freiberg schließen, wenn die Politik nicht für bessere Wettbewerbsbedingungen sorgt, etwa mit Fördergeldern.

Am Mittwoch hat Meyer Burger mitgeteilt, dass das Unternehmen die Schließung der Modulproduktion in Freiberg vorbereitet, „sofern keine ausreichenden Maßnahmen zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen in Europa, etwa durch Resilienzmaßnahmen, ergriffen werden“. Damit ist finanzielle Förderung gemeint. Obwohl der Bedarf an Solarmodulen enorm ist, rechnet das Unternehmen für 2023 mit einem Verlust von umgerechnet 134 Millionen Euro – bei einem Umsatz von 144 Millionen Euro. Wie alle Solarhersteller leidet Meyer Burger unter billigen Importen vor allem aus China.

Bis Mitte Februar soll die Entscheidung fallen. Sollte die Produktion eingestellt werden, wird das Werk in Freiberg bereits Anfang April geschlossen. Nach Angaben von Meyer Burger handelt es sich um die größte Solarmodulproduktion in Europa. Die Schließung würde 500 Mitarbeitende treffen. Die Zellproduktion von Meyer Burger in Bitterfeld/Wolfen soll fortgesetzt werden, um den Ausbau der Modulproduktion in den USA zu unterstützen. Dort treibt Meyer Burger sein Geschäft voran. US-Präsident Joe Biden hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein gigantisches Subventionsprogramm aufgelegt, das Unternehmen wie Meyer Burger anlockt. „In den USA können wir – bedingt durch die dortige Industriepolitik – unsere führende Technologieposition voll ausnutzen, was zu einem erheblichen Interesse von potenziellen Partnern führt“, sagte Unternehmenschef Gunter Erfurt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte eigentlich vor, den Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie massiv zu unterstützen. Vor allem die Abhängigkeit von China könnte zu einem massiven Problem werden, etwa wenn die Volksrepublik Taiwan angreift. Lieferkettenprobleme während der Coronapandemie oder jetzt aufgrund der Krise im Roten Meer vor dem Suezkanal zeigen, dass eine einheimische Produktion weniger anfällig für Störungen ist. Auch Importe aus den USA könnten schwierig werden, falls Donald Trump wieder US-Präsident wird und Handelskonflikte mit der EU anzettelt. Doch die für den Ausbau im Klima- und Transformationsfonds vorgesehenen Milliarden hat die Bundesregierung nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts größtenteils gestrichen.

Energieökonomin sieht Regierung in der Pflicht

Das Bundeswirtschaftsministerium hält daran fest, die Branche zu stärken. „Unser Ziel ist, einen signifikanten Anteil der notwendigen Transformationstechnologien in Deutschland und Europa zu produzieren“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Im Solarpaket I, dessen Verabschiedung der Bundestag Ende vergangenen Jahres verschoben hat, ist etwa ein sogenannter Resilienzbonus vorgesehen. Damit wäre eine höhere Vergütung für den verkauften Strom aus hierzulande hergestellten Solaranlagen verbunden. Habeck hat sich dafür ausgesprochen. Die FDP ist aber dagegen. „Die Gespräche hierzu innerhalb der Bundesregierung laufen“, sagte die Sprecherin.

Die Erneuerbaren-Branche drängt auf bessere Bedingungen. „Das Solar Valley darf nicht ein zweites Mal austrocknen“, warnte Simone Peter, Chefin des Bundesverbands Erneuerbare Energien. Deutschland hatte schon mal eine florierende Solarindustrie. Anfang der 2000er wuchs die Branche, befördert durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung, das Betreibern der Anlagen eine gute Vergütung garantierte. Das sicherte eine hohe Nachfrage – so sehr, dass auch ausländische Firmen auf dem Markt aktiv wurden. Vor allem China preschte vor, nutzte die deutsche Expertise, produzierte aber deutlich billiger. Die Marktlage für deutsche Hersteller war plötzlich schlechter, umso mehr, als die dann schwarz-gelbe Bundesregierung 2012 massiv bei den Ökostrom-Vergütungen kürzte. Die Branche brach zusammen, zuletzt gab es allerdings wieder einen Aufschwung.

Energieökonomin Claudia Kemfert sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Es ist gravierend, dass auch noch die Überreste der deutschen Solarindustrie abwandern, weil die Bedingungen in anderen Ländern deutlich besser sind“, so die Wissenschaftlerin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Erneuerbare Energien würden zur kritischen Infrastruktur gehören, Deutschland müsse die Produktionsstandorte erhalten. „Das geht nur durch finanzielle Unterstützung, wie man das zum Beispiel auch bei der Chip-Produktion macht.“

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