Proteste gegen rechts: Deutschland in Demolaune

Zehntausende gehen in Köln gegen rechts auf die Straße. Weitere Demos sind am Wochenende geplant. Was treibt sie an?

Tätowierte Demonstrantin mit lila Haaren und einem Plakat "Kein Mensch ist illegal"

Demonstrantin gegen die AfD in Köln Foto: Buriakov/imago

„Die Demos entstehen aus dem Gefühl, jetzt handeln zu müssen, damit es nicht zu spät ist“, sagt Kerstin Kreß von der Ak­ti­vis­t:in­nen­grup­pe KoalaKollektiv. Am Samstag organisiert die Gruppe eine Kundgebung gegen rechts auf dem Rathausplatz in Frankfurt am Main. Vor gut einer Woche hatte das Recherchekollektiv Correctiv einen Bericht über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen in einer Villa in Potsdam, bei dem auch AfD-Politiker anwesend waren, veröffentlicht.

Bei dem Treffen soll unter anderem über die Vertreibung von Menschen ohne deutschen Pass oder mit internationaler Familiengeschichte gesprochen worden sein. Seither protestierten in mehreren deutschen Städten Tausende gegen rechts. Besonders viele kamen am Dienstagabend in Köln zusammen: Statt der geplanten 1.000 Teil­neh­me­r*in­nen stürmten mehrere Zehntausend am vergangenen Dienstagabend den Heumarkt, um gegen rechts zu demonstrieren.

Ein „Spontanes Bündnis gegen Rassismus“ hatte zu der Demonstration aufgerufen. Auch in Hannover kamen am Dienstagabend 8.000 Menschen bei einer Demonstration gegen rechts zusammen. Weitere Demos und Kundgebungen sind am Wochenende geplant.

Der Wunsch in der Zivilbevölkerung, aktiv zu werden, scheint nicht abzunehmen. Das spürt auch Kerstin Kreß: „Unsere Website war zwischenzeitlich nicht zu erreichen, und private Fahrgemeinschaften bilden sich, um am Samstag nach Frankfurt zu kommen. Das sprengt unsere bisherigen Erwartungen.“ Neben dem Oberbürgermeister sprechen ausschließlich Ak­ti­vis­t*in­nen und zivilgesellschaftliche Organisationen, wie die Initiative 19. Februar und die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland.

Es sei wichtig, Betroffenen eine Plattform zu geben nach den aktuellen Geschehnissen, sagt Kreß. Daher richtet sich die Kundgebung auch nicht lediglich gegen die AfD, sondern gege­n rechte Ideologien im Gesamten.

Demo am Sonntag in München

Auch die geplante Demonstration am Münchner Siegestor am Sonntag wird von einer Vielzahl von Vereinen unterstützt. „Als FFF in München haben wir ein erstes Treffen zur Planung einer Demo initiiert. Dass über 180 Vereine den Aufruf teilen und Teil unseres Bündnisses geworden sind, ist kaum zu fassen“, sagt Jana Häfner, Pressesprecherin von Fridays for Future München. Ihnen war es ein großes Anliegen, sich bei der Demo zu beteiligen.

Weitere Ak­teu­r*in­nen sind unter anderem die Ini­tia­­tive „München ist bunt“, das NS-Dokumentationszentrum, Gewerkschaften und Jugendorganisationen der SPD und Linken. Jana Häfner hat großen Respekt vor den Organisator*innen, die in wenigen Tagen eine Großdemo auf die Beine gestellt haben. „Für uns stand im Fokus, ein vernünftiges Programm auf die Beine stellen zu können und eine sichere Demoroute abzusprechen.“

Wie viele Menschen kommen werden, bleibt offen, das Bündnis orientiere sich an Zahlen der letzten „Bayern gegen Rechts“-Demo im Oktober 2023. Dort kamen mehr als 35.000 Menschen auf dem Odeonsplatz zusammen.

Während viele Bündnisse einen expliziten zivilgesellschaftlichen Fokus haben und die Teilnahme von Parteien ausschließen, war es Kazım Abacı, Mitorganisator der Hamburger Kundgebung, wichtig, auch politische Akteure zu aktivieren. Er ist Vorstand des Vereins Unternehmer ohne Grenzen und SPD-Politiker in Hamburg.

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Erst der Anfang einer Bewegung

„Da auch Politiker der Werteunion in Potsdam waren und sie auf die AfD zugehen, ist es besonders wichtig, dass die CDU-Fraktionsvorsitzende in Hamburg das Bündnis unterstützt.“ Er möchte alle Leute, die bisher zugeschaut haben, mobilisieren. „Wir haben alle eine Pflicht, jetzt auf die Straße zu gehen. Daher ist es wichtig, alle Bür­ge­r*in­nen von konservativ bis links anzusprechen.“

Die Redebeiträge sollen trotzdem mehrheitlich von Vereinen und Betroffenen kommen, auch der Hamburger Erste Bürgermeister und die Bürgerschaftspräsidentin werden am Freitag am Rathausmarkt sprechen. Alle Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen sehen die Demonstrationen in ihren Städten als Anfang einer größeren Bewegung gegen rechts.

Bundesweite Aktionen sind bisher noch nicht geplant. „Wir stecken all unsere Energie in die geplante Aktion. Klar ist aber, dass die Aufmerksamkeit nicht abbrechen darf“, sagt Kreß.

Neues Netzwerk in Berlin

In Thüringen bereitet seit Ende 2023 eine zivilgesellschaftliche Organisation eine Strategiekonferenz gegen rechts für das Frühjahr vor. Auch in Hanau organisieren Initiativen den nächsten Gedenktag in der Hoffnung, dass die Aufmerksamkeit für den Kampf gegen rechts in Deutschland und die Opfer des Rechtsextremismus bis dahin nicht abbricht.

Nach der Großdemo in Berlin mit 25.000 Teil­neh­me­r*in­nen am Sonntag plant das neu entstandene Netzwerk „Hand in Hand“ als Auftaktveranstaltung eine Menschenkette um den Bundestag am 3. Februar. Mittlerweile zählt das Bündnis über 120 Organisationen, von Pro Asyl über Aufstehen gegen Rassismus bis Fridays for Future Berlin.

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