Aktivistin über Schutz vor Rassismus: „Wir fordern Taten ein“

Es sei wichtig, dass der Kanzler sich an die Seite derer stelle, die Rassismus erleben, sagt Karen Taylor von EOTO. Doch das allein sei nicht genug.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Antirassismusbeauftragte Reem Alabali-Radovan nehmen am Treffen mit Vertreter*innen von Migrantenorganisationen sowie Netzwerken von Menschen mit Einwanderungsgeschichten teil.

Symbolträchtig, aber es müssen Taten folgen: Olaf Scholz (vorne 4. v. l.) empfängt Migrantenorganisationen im Kanzleramt Foto: Kay Nietfeld/dpa

taz: Frau Taylor, diese Woche haben der Bundeskanzler und die Antirassismusbeauftragte Mi­gran­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen eingeladen, um über die Bedrohung durch Rechtsextremismus zu sprechen. Welche Bedeutung hatte dieses Treffen?

Karen Taylor: Die symbolische Bedeutung dieses Treffens kann man gar nicht stark genug betonen. Der Kanzler hat klargemacht: Er und die Regierung stehen hinter uns angesichts der Bedrohung von rechts. Was aber folgen muss, sind konkrete Taten, und das fordern wir auch ein.

34 Jahre, leitet die politische Kommunikation bei Each One Teach One (EOTO). Sie ist außerdem Vertreterin der Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO).

Was sind denn Ihre konkreten Erwartungen an die Politik?

Dieses Treffen war wichtig. Wir brauchen aber regelmäßige Formate, in denen die von Rassismus betroffenen Communities ihre Bedarfe und Forderungen artikulieren können – nicht nur dann, wenn gerade wieder ein Anschlag passiert ist oder ein Geheimplan aufgedeckt wurde. Die Menschen müssen proaktiv vor Rassismus und Diskriminierung geschützt werden. Die dafür notwendigen Reformen müsste man sich nicht mal ausdenken, die stehen schon im Koalitionsvertrag.

Zum Beispiel?

Die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), also unseres Antidiskriminierungsgesetzes. Bisher gilt dieses nur in der Privatwirtschaft, wenn also ein Vermieter einer Familie die Wohnung nicht gibt, weil sie muslimisch ist, oder ein Arbeitgeber seiner Angestellten die Beförderung verweigert, weil sie queer ist. Staatliches Handeln wird vom Gesetz bisher nicht erfasst, wenn etwa die Polizei rassistisch handelt. Außerdem sind die Klagefristen mit gerade mal drei Wochen sehr kurz, bis dahin finden Betroffene kaum Beratung oder gar anwaltliche Vertretung. Und es gibt kein Verbandsklagerecht. Betroffene müssen alleine vor Gericht ziehen, mit allen damit verbundenen Risiken, auch finanziell. Da es bisher wenig Rechtsprechung gibt, ist das unberechenbar.

Die AGG-Reform ist, wie Sie sagten, Teil des Koalitionsvertrags. Wo hakt es?

An der FDP und Justizminister Marco Buschmann. Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil SPD und Grüne mehrfach sehr deutlich gezeigt haben, dass sie diese Reform wollen. Die FDP hingegen schiebt immer neue Gegenargumente vor. Zuletzt, dass man das aktuelle Gesetz erst evaluieren müsste. Dabei gibt es eine umfassende Evaluation von 2016. Seitdem hat sich am Gesetz nichts verändert. Damals wurden sehr klare Reformforderungen formuliert.

Was fordern Sie noch?

Die Ampel hat ein Partizipationsgesetz versprochen. Ein Vorbild dafür gibt es in Berlin, auf Bundesebene wäre es ein Novum. Es geht darum, vor allem in staatlichen Behörden die Teilhabe von Menschen of Color und von Schwarzen Menschen zu gewährleisten. Das ginge mit Quoten, oder etwas weicher mit Zielvorgaben. Wir haben dazu schon vor Jahren einen Vorschlag gemacht. Soweit wir wissen, arbeitet die Ampel an einem Entwurf, der aber sehr abgespeckt ist, ganz ohne Zielvorgaben. Das ist sehr enttäuschend. Warum soll das im Bereich Geschlecht gehen, hier aber nicht?

Warum wären diese Gesetze so wichtig?

Das Rassismusproblem in Deutschland beschränkt sich nicht auf die AfD, sondern zieht sich durch weite Teile der Gesellschaft. Die AGG-Reform würde genau da ansetzen und Diskriminierung im alltäglichen Leben vorbeugen und sie sanktionieren. Die Reform würde ein Zeichen setzen, vor allem, wenn sie jetzt käme, auch an die betroffenen Communities: Diese Demokratie ist auch für uns da, sie verteidigt und schützt uns. Der Rechtsruck hingegen fördert Diskriminierung bis hin zu lebensgefährlicher Gewalt.

Seit Wochen gehen Hunderttausende gegen die AfD und ihre rassistischen Deportationspläne auf die Straße. Gibt Ihnen das Zuversicht?

Ich für mich kann sagen: Ich bin dankbar für jede Person, die auf die Straße geht. Die Enthüllungen über das AfD-Geheimtreffen haben uns nicht überrascht, das sagt die AfD ja schon lange offen. Umso wichtiger, dass die bisherige Teilnahmslosigkeit vorbei ist. Es ist aber nicht nur die Mehrheitsgesellschaft, die für die Demokratie eintritt. Wir tun das auch schon sehr lange. Es ist höchste Zeit, den Communities zuzuhören und mit uns gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um dem Rechtsruck in diesem Land zu begegnen.

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