Schreibtischarbeit bei Landwirten: Özdemirs Bürokratieproblem

Bauern verbrächten ein Viertel ihrer Zeit mit Schreibtischarbeit, sagt der Agrarminister. Aber die Angabe basiert auf Schätzungen von nur zehn Höfen.

Özdemir gibt einer schwarz-weiß gefleckten Kuh Futter

Selten im Stall: Özdemir Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Bundesagrarminister Cem Özdemir hat mit nicht repräsentativen Zahlen versucht zu belegen, dass die Bauern zu stark durch Bürokratie belastet seien. „Das Statistische Bundesamt hat berechnet: Ein durchschnittlicher Landwirt verbringt ein Viertel seiner Zeit am Schreibtisch“, sagte der Grünen-Politiker am Montag in Brüssel. „Das muss dringend runter. Weg mit überbordender Bürokratie.“

Doch ein Blick in den laut seinem Ministerium von Özdemir zitierten Bericht „Hof­arbeit statt Schreibtischzeit“ des Statistikamtes zeigt: Die Angabe basiert nur auf „Interviews mit 10 landwirtschaftlichen Betrieben“. Auf die Frage, ob es seriös sei, diese Zahl auf die gesamte Branche zu beziehen, antwortete eine Ministeriumssprecherin: „Die Ergebnisse des Berichts stehen hier für sich.“

Bei Demonstrationen hatten Bauern beklagt, sie litten unter zu viel Bürokratie. Die EU-Kommission schlug deshalb vor, mehrere Umweltauflagen zu lockern, die das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten bremsen sollten. So soll es unter bestimmten Bedingungen möglich sein, besonders artenreiches Grünland umzupflügen. Zudem könnten die Mitgliedstaaten Höfe deutlich seltener vor Ort kontrollieren. Özdemir betont zwar, er wolle „das Ambitionsniveau“ nicht senken. Mit den hohen Zahlen zur Bürokratiebelastung liefert er aber auch den Gegnern von Umweltvorschriften Argumente.

Hälfte des Einkommens sind Subventionen

Selbst wenn Özdemirs Zahlen repräsentativ wären, ist fraglich, ob ein Viertel der Arbeitszeit für Bürokratie tatsächlich viel ist. Denn die Belastung einer vergleichbaren Branche scheint ähnlich hoch zu sein. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks teilte der taz mit: „Laut aktueller ZDH-Betriebsbefragung berichten Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber davon, dass sie rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit für Tätigkeiten rund um Nachweis- und Dokumentationspflichten einsetzen.“

Dabei bekommen deutsche Agrarbetriebe anders als das Handwerk im Schnitt rund die Hälfte ihres Einkommens als Subventionen vom Staat. Dafür müssen die Bauern Anträge stellen und nachweisen, dass sie bestimmte Regeln wie etwa Umweltvorschriften einhalten – die Naturschützern aber zu lasch sind.

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