Berlinale-Film „Shambhala“: Das Beste in sich tragen

In „Shambhala“ gerät eine Frau im nepalesischen Himalaja in Konflikt mit der polygamen Gemeinschaft. Die Dreharbeiten waren äußerst schwierig.

Spiritualität als Ausweg oder Erlösung? Foto: Aditya Basnet / Shooney Films

Warum zwinkern Sterne nachts?“, fragt ein Junge von nicht mehr als 12 Jahren. Er, Dawa, sitzt an einem Lagerfeuer, neben ihm seine Frau Pema. Die wiederum ist schwanger von Tashi, der sich mit anderen Männern in Richtung der tibetischen Hauptstadt Lhasa aufgemacht hat, um dort Wolle, Yaks und andere Waren zu tauschen. Pemas dritter Mann ist der Mönch Karma, der unweit des nepalesischen Dorfes im Himalaja im Kloster dient.

„Shambhala“, so heißt der zweite abendfüllende Spielfilm des Regisseurs und Drehbuchautors Min Bahadur Bham und der erste nepalesische Beitrag im Wettbewerb der Berlinale. Mit seinem Erstlingswerk „Kalo Pothi“ gewann Bham 2015 auf den Filmfestspielen in Venedig den Kritikerpreis für den besten Film. Shambhala bezeichnet im tibetischen Buddhismus ein mythisches Königreich, das dem, der es findet, inneren Frieden verspricht.

Im Film ist es Pema, die sich auf die Suche macht: Eigentlich nicht nach diesem Ort, sondern nach Tashi, der von seinem Geschäftstrip in Lhasa nicht mehr zurückkehrt. Gerüchten zufolge, die ganz ohne mobile Kommunikationsmittel bis zu ihm dringen, soll Pemas Baby nicht seines sein, sondern das des Dorflehrers Ram Sir. Die gesellschaftliche Ächtung, die ihr daraufhin entgegentritt, wirkt bedrohlich.

Obwohl Mehrheirat nicht offiziell anerkannt ist, leben im nepalesischen Himalajagebirge nach wie vor Gesellschaften polyandrisch. In ihnen heiratet eine Frau mehrere Männer, meist Brüder. Was zu Beginn von „Shambhala“ nach Matriarchat aussieht, trügt. Wirtschaftliche Interessen stehen im Vordergrund, denn so muss der Besitz nach dem Tod des Patriarchen nicht unter den Brüdern aufgeteilt werden, sondern wird gemeinsam verwaltet.

Zwischen Nepal und Tibet

Für Dawa ist Pema eher Mutterersatz, Tashi ist der, der die ehemännlichen Vorteile genießt. Und Karma? Der begleitet Pema bei ihrer Suche nach dem älteren Bruder durch das unwirtlich wirkende Gebirge.

24. 2., 21 Uhr, HdBF; 25. 2., 15.30 Uhr, Verti Music Hall

Die Filmarbeiten im Oberen Dolpo seien nicht einfach gewesen, wie Bham dem Branchenblatt Variety verrät. In dieser Zone zwischen Nepal und Tibet, auf über 5.000 Metern Höhe gibt es keine Elektrizität, die nächste Energiequelle sei vier Tage Fußmarsch entfernt gewesen. Die Strapazen haben sich gelohnt, die Bilder, die Bham und sein Team an diesem unberührten Fleckchen Erde eingefangen haben, sind trotz der Kargheit der Landschaft atemberaubend.

Anfangs dauert es etwas, bis sich die Handlung entspinnt, bis verständlich wird, was der Plot erzählen will. Hier entfacht sich die Magie der Berlinale, die die Zuschauenden mit fremden Sehgewohnheiten konfrontiert. Umso trauriger, wer die zweieinhalb Stunden nicht durchhält, weil zu ruhig und zu wenig Action.

Eine Szene, die Pema und Karma am Fluss zeigt, wäre in jedem westlichen Film einfach nur kitschig, hier aber rührt sie zu Tränen, so wenig gespielt wirkt sie – ein großes Lob gebührt den Darstellenden Thinley Lhamo und Sonam Topden. Hier musiziert Pema auf einem nepalesischen Saiteninstrument, Karma singt dazu so wunderschön, im Hintergrund das Bergpanorama, davor grasende Pferde: Ist das schon Shambhala?

Man spürt das Bedürfnis Bhams, durch seinen Film etwas mitzugeben, das jenseits unserer materialistisch geprägten Gesellschaft liegt. Einer Welt, die unsere Ungleichheit durch haben oder nicht haben prägt, uns immer unzufriedener zurücklässt, weit entfernt von uns selbst. „Wir vergessen, dass wir die besten Eigenschaften in uns selbst tragen“, so formuliert es Bham. Das wird auch Pema auf ihrer Reise irgendwann klar.

Auch auf die Frage, warum die Sterne nachts zwinkern, gibt es eine Antwort: Es sind die Verstorbenen, die Liebe und Glück auf die Erde schicken.

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