Autobahnsperrung: Vollbremsung für Energiewende

Die A27 ist einsturzgefährdet und deswegen seit Wochen gesperrt. Der Schwerlastverkehr zur und von der Küste rollt jetzt durch die Dörfer.

Gesperrte Autobahn

Kaputt: die A27 bei Bremen. Hier werden sonst die Rotorblätter transportiert Foto: Sina Schuldt/dpa

Was ist sinnloser als eine neue Autobahn? Eine kaputte! Die ist sogar schädlich, und zwar für alle. Das beweist die Autobahn-Betreiber-Gesellschaft seit Ende Februar eindrucksvoll anhand der A27.

Gesperrt wurde die am 21. Februar zwischen Hagen im Bremischen und Uthlede. Ihren Be­woh­ne­r*in­nen hat das in Erinnerung gerufen, dass eigentlich Ruhe, frische Luft und wenig Verkehr die Vorzüge des Landlebens sind. Das aber haben seither mehr als 1.000 genehmigungspflichtige Transporte der Kategorien übergroß und ultraschwer sowie unzählbare andere Laster plus Pkw zerdonnert und verstunken.

Die Sperrung kam ungeplant, aber komplett. Notwendig gemacht hat sie ein kaputter Entwässerungstunnel, genau genommen: ein Wellstahlplattendurchlass, wie die Röhre auf Autobahndeutsch heißt. Dessen Material hat einen Nachteil: Es rostet. Und anscheinend korrodiert es spontan, denn „die Undichtigkeit des Durchlasses war so nicht abzusehen“, teilt die Autobahn GmbH mit. Beim letzten Bauwerksprüfungszustandsbericht nach DIN 1076 vor drei Jahren war alles noch tippitoppi. Außerdem checke die Autobahnmeisterei Debstedt „mehrmals pro Woche die Strecke“.

Der Meisterei sind dann auch die Krater aufgefallen: Weil durch Lecks im Tunneldach Oberflächenwasser samt Sand und Erdreich dringt, haben sich neben der Fahrbahn Löcher von gut zwei Metern Tiefe und Durchmesser aufgetan. Genauso dürften sich auch unter der Straße Kavernen bilden: Irgendwann bräche dann die Asphaltdecke auf und risse alles, was nicht mehr rechtzeitig bremsen kann, in den Abgrund. Jetzt wird die Chose geflickt, Ostern soll es fertig sein. Auch die fünf weiteren gleichartigen Durchlässe auf der A27 werden sondergeprüft.

Traurig auch für Autobahnfeinde

Selbst wenn Sie Autobahnen hassen: Diese Vollsperrung ist schon sehr schade. Denn die A27 verbindet Cux- und Bremerhavens Seehäfen mit dem Hinterland. Die sind zwar kleiner als Hamburg. Aber sie haben so ihre Spezialfähigkeiten. Zum Beispiel: Autos, auch aus Bayern, werden vor allem von Bremerhaven aus verschifft, und in Sachen Schwertransportabfertigung ist man dort spitze: Wer Turmdrehkrane oder Spezialbagger aus Biberach an der Riß nach Südafrika exportiert, wählt zur Ausfuhr Bremerhaven.

In Cuxhaven wiederum landen 80 Prozent der Rotorblätter für Deutschlands Windkraftanlagen: Auch die Energiewende wird durch die A27-Sperrung gebremst.

Diese ist Folge einer Politik, die mithilfe von viel Geld immer neue mehrspurige Fahrbahnschneisen durch Ackerland und Naturschutzgebiete geschlagen hat, statt die bereits bestehende kritische Infrastruktur zu pflegen. Dabei weiß niemand, ob auch die nächste marode Autobahn wieder menschenfreundlich einstürzt, wie die A20 in Mecklenburg, oder ihr unhaltbarer Zustand noch vor der Katastrophe bemerkt wird wie jetzt bei der A27.

Zwar ist Andreas Scheuer (CSU), der als Verkehrsminister diesen Ansatz verkörpert hatte, Vergangenheit. Doch sein Geist lebt und ist in die Bremer CDU gefahren. Die nutzt das Desaster, um „den von Rot-Rot-Grün nicht gewollten Weiterbau der Küstenautobahn A20“ zu fordern. Der wäre, weil er Moore vernichtet, maximal klimaschädlich und würde Nordseehäfen sinnlos auf dem Landweg verbinden.

Insofern ist es gut, dass momentan das Geld nicht für beides reicht. Vielleicht entdeckt dann doch jemand sein Herz für die armen bestehenden Autobahnen und schenkt ihnen die Zuwendung, die man auch hässlichen, ungeliebten Kindern schuldet. Denn sonst verkommen sie. Und ihre Rache wird fürchterlich.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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