Konflikte um Ressourcen: Wem gehört der Berg?

Im Zentrum des Anthropozäns steht die Frage nach der Verteilung von Ressourcen. Überall wird darum gekämpft – in der Stadt wie auf dem Land.

Drei Wanderer in alpiner Schneelandschaft

… als würde man mit Gewichten am Fuß einen Berg erklimmen Foto: Wirestock/imago

In der Stadt, in der ich lebe, wird jeden Tag gekämpft. Vor allem um Räume. Raum zum Wohnen, Raum zum Radfahren, Raum zum Zufußgehen, Raum in Bus und Bahn, auf dem Bürgeramt oder in der Arztpraxis. Wo zu wenig Raum ist, ist alles in Bewegung. Ein ewiges Verdrängen und Verdrängtwerden.

Die Enge, das Gedränge strengen an, ziehen die Kraft, die man zum Kämpfen braucht, zum Grenzenziehen und -verteidigen, zum Vorwärtskommen oder zum Verweilen. Als würde man mit Gewichten am Fuß einen Berg erklimmen, dessen Gipfel im Nebel liegt. Man weiß nicht, welche Aussicht man hat, wenn man einmal oben ist – wenn man jemals oben ist. Sieht man von oben das Ende des Anthropozäns?

Wenn es zu eng wird und die Gewichte zu schwer, suche ich Erleichterung am Berg; einem, den es wirklich gibt. Selbst ein Berg ist immer in Bewegung, aber langsamer als alles andere auf der Welt, und trotzdem hat er so viel mehr gesehen als wir. Seine Kraft ist die Zeit, die wir nicht haben.

Im Februar, wenn es nur noch selten schneit, ist es dort still und leer. Ich spüre keine Gewichte mehr, selbst wenn meine Beine in hohem Schnee versinken. Ich spüre keine Enge, selbst wenn das Tal schmal und dunkel ist. Für einen Moment ist da nur Weite und Leichtigkeit. Wird hier gar nicht gekämpft?

Gekämpft wird überall

Auf einer Anhöhe lichtet sich der Wald und gibt den Blick frei. Durch das Fernglas erkenne ich schwarze Punkte, die auf einem Schneeband senkrecht nach unten wandern. Die letzten Ski­fah­re­r:in­nen des Tages, vielleicht der Saison. In der österreichischen Zeitung Der Standard lese ich später ein Interview mit einem Tourismusforscher. Er sagt: „Österreich ist kein Wachstumsmarkt mehr beim Skifahren. Wir befinden uns im Alpenraum in einem starken Verdrängungswettbewerb“, und „Es gibt die Hoffnung, dass mehr Chinesen Skifahren lernen und dass sie dann auch nach Europa zum Skifahren kommen.“ Ich lerne: Es wird gekämpft und es wird gekämpft werden.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Auf dem Rückweg ein Schild am Hof des Milchbauern: „Unserem Vieh die Almen, dem Wolf die Wildnis“. Später lese ich auf almohnewolf.at die Forderung nach „umfassendem Schutz und Erhalt der bäuerlichen Weide-, Alm-, Freiland- und Offenstallhaltung mit ihren umfassenden Leistungen für Kulturlandschaft, Artenvielfalt und Tierwohl“, und „Ihr ist im Verhältnis zum Wolf der Vorrang einzuräumen“. Ich lerne: Es wird gekämpft und es wird gekämpft werden.

Wem gehört der Berg? Dem Rind, dem Bauern, dem Wolf? Der Wanderin oder dem Skitouristen? Ich habe keine Antwort, aber eines ist gewiss: Gekämpft wird überall, im Anthropozän.

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Redakteurin und Reporterin für die wochentaz. Jahrgang 1988, Studium der Sozial- und Kulturanthropologie, Ausbildung an der Reportageschule Zeitenspiegel. Im Ressort der wochentaz zuständig für lange Lesestücke zu Gesellschaft und Politik.

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