Antifeminismus auf Tiktok: Propaganda mit dem Kochlöffel

Die „Tradwives“ kochen, erziehen und gehorchen ihren Männern. Sie inszenieren Selbstbestimmung, aber docken in Wahrheit rechten Ideologien an.

Eine Frau in rosa Kleid mit einem Mixer in der Hand

Sie putzt, geht einkaufen, kocht. Sie gebärt Kinder Foto: RyanJLane

BERLIN taz | Finger mit beige lackierten Nägeln rollen Teig aus, ziehen betont sanft die Schleife der Küchenschürze enger, arrangieren Blumenvasen und schreiben Tagebuch. Nebenbei beantwortet die Frau hinter dem Instagram-Account „Tradwifefactory“ Fragen von ihren gut 12.000 Follow­ern: Wie hört man als Ehefrau auf zu nörgeln? Wie entspricht man den optischen Vorstellungen des Ehemannes? Und was sind eigentlich die Aufgaben einer Ehefrau?

Die Antwort: Sie putzt, geht einkaufen, kocht. Sie gebärt Kinder und zieht sie auf, richtet das Haus schön ein und achtet auf ein gepflegtes Äußeres. Die Anfang-30-Jährige, die ihren echten Namen bei Instagram nicht preisgibt, bezeichnet sich als Tradwife. Hinter dem Social-Media-Trend stehen meist weiße, gut situierte Frauen, die es sich leisten können, nur vom Einkommen ihres Ehemanns zu leben und die sich in sozialen Medien als traditionelle Hausfrau inszenieren.

Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

Das Phänomen stammt aus den USA, erfährt aber auch in Deutschland immer mehr Zuwachs. In unzähligen Videos auf Instagram oder Tiktok präsentieren Tradwives oder unverheiratete Stay-At-Home-Girl­friends, ihren Alltag, in der Regel untermalt mit sanfter Musik und einem weißwaschenden Filter. Gerechtfertigt wird die Rückkehr zum „traditionellen Familienbild“ oft mit dem christlichen Glauben, der aus ihrer Sicht gebietet, dass Frauen in die Küche und Männer in die Minen gehören.

Selbstbestimmt Stereotype reproduzieren

Viele der Frauen beschreiben den Lebensstil, den sie propagieren, als einen selbstbestimmten. Schließlich bedeute Feminismus doch, dass Frauen sich ihr Leben so aussuchen und gestalten dürfen, wie sie wollten. Dabei reproduzieren sie vor allem veraltete Geschlechter- und Familienstereotype.

Familie bedeutet Mutter, Vater, Kind. Sie kümmert sich, er geht arbeiten. Heterosexualität ist die Norm, es gibt nur zwei Geschlechter. In den USA unterrichten Trad­wives ihre Kinder. Ihre Sprösslinge sollen gut behütet zu Hause aufwachsen und bloß nicht mit der Diversität der realen Welt in Berührung kommen.

Viele dieser Accounts vermeiden es bewusst, ihre Botschaften als politisch zu verkaufen. Doch die Grenzen sind fließend, und vom harmlosen Backvideo bis zur parteipolitischen Werbung ist es nicht weit. Schon im US-Wahlkampf 2016 trendete das Hashtag #MakeTraditionalHousewivesGreatAgain.

Darunter versammelten sich unzählige Posts von Frauen, die sich beim Verrichten häuslicher Aufgaben filmen und dabei Trump dafür danken, dass er die traditionellen Eherollen wieder auf die Beine stellt. Dabei wird nicht nur mit hübschen Kleidern und frischem Sauerteig geworben, sondern manchmal auch mit Waffen und damit, als starke Hausfrau seine Rechte verteidigen zu müssen.

AfD nutzt Bild der Tradwives auch für sich

In Deutschland macht die AfD sich genau solche Vorbilder zunutze. Sie wirbt mit Sprüchen auf Wahlplakaten wie: „Traditionell? Uns gefällt’s!“, oder: „Neue Deutsche? Machen wir selber“ neben einem schwangeren Bauch. Nicht zufällig fordert die Partei höhere Geburtenraten unter Deutschen und ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.

Die AfD weiß, wie man Social Media für die eigene Zielgruppe nutzt. Auf einem ihrer Accounts umarmt sich ein Cartoon-Hetero-Pärchen und verspricht sich vom Parteibeitritt eine bessere Zukunft für die eigenen Kinder. Eine junge Frau hält ein Baby an ihre Brust und lächelt es an; darüber ein Aufruf zum Marsch für das Leben, einer christlich-fundamentalistischen Demonstration gegen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und Selbstbestimmung.

In einem anderen Post lächelt ein Paar mit Kind sich verliebt an, während ein Schriftzug verkündet, die AfD stehe an der Seite von Familien. In ihrem Fall wie bei den Tradwives heißt das: an der Seite von weißen, heterosexuellen Familien mit Kindern.

Das Phänomen der Tradwives ist also weder unpolitisch noch harmlos. Denn Fragen von finanzieller Sicherheit und einem sorglosen Leben, ohne im sich immer drehenden Rad des Kapitalismus um seine Existenz kämpfen zu müssen, beschäftigen viele junge Menschen. Auch wenn Tradwives und Stay-At-Home-Girlfriends sich nicht immer explizit für rechte Parteien aussprechen oder direkt rassistische und queerfeindliche Aussagen verbreiten. Mit ihrer Inszenierung propagieren sie doch ein Weltbild, in dem genau dies die Norm ist.

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