Ukraine-Debatte in Frankreich: Mit der Ukraine in den Wahlkampf

Frankreichs Parlament führt eine heftige Debatte über das französisch-ukrainische Sicherheitsabkommen. Linke und Rechtsextreme stimmen nicht dafür.

Frankreichs Premierminister Gabriel Attal knabbert an einem Stift

Frankreichs Premier Gabriel Attal in der Nationalversammlung Foto: Christophe Ena/ap

PARIS taz | Mit 372 Ja- gegen 99 Nein-Stimmen hat Frankreichs Nationalversammlung am Dienstagabend dem bilateralen Sicherheitsabkommen mit der Ukraine zugestimmt, das Staatspräsident Emmanuel Macron am 16. Februar unterzeichnet hatte. Bedeutend ist weniger das Ergebnis, weil die Abstimmung rein konsultativen Charakter hatte, sondern die Debatte.

Nicht nur im Interesse der Demokratie wollte Macron, dass sich die beiden Parlamentskammern zur Hilfe für die Ukraine äußern; er wollte vor allem, dass sich die Oppositionsparteien, die seine Politik bei jeder Gelegenheit kritisieren, ihre eigene Haltung öffentlich erklären. Rund drei Monate vor den EU-Wahlen steht die Hilfe für die Ukraine im Zentrum des beginnenden Wahlkampfes.

Macron hatte mit seiner Äußerung, er wolle im Fall einer Eskalation im Krieg zwischen Russland und der Ukraine „nichts ausschließen“, auch explizit die Entsendung von Bodentruppen nicht, bereits eine innenpolitische Polemik ausgelöst. In der Debatte war auch mehr von diesem Vorstoß Macrons die Rede als von der Lieferung von Kriegsmaterial, die auch von den Oppositionsfraktionen kaum grundsätzlich infrage gestellt wird.

Die Drohung des Präsidenten war – im Sinn und Stil der nuklearen Abschreckungsdoktrin – primär an Wladimir Putin gerichtet, der Zweck der martialischen Rhetorik war es jedoch auch, die öffentliche Meinung im eigenen Land auf zusätzliche Anstrengungen bei der Hilfe für die bedrängte Ukraine vorzubereiten.

Instrumentalisierte Debatte?

In seiner einleitenden Rede sagte Premierminister Gabriel Attal den Abgeordneten in Macrons Auftrag: „Wir stehen an einem Wendepunkt. Im gegenwärtigen Stellungskrieg wird die Zeit zu einem Alliierten Russlands, weil (Putin) auf die Ermüdung der Verbündeten (der Ukraine) zählt.“ Wer in dieser Situation gegen das Sicherheitsabkommen stimme, kehre nicht nur der verbündeten Ukraine den Rücken, sondern auch der historischen Rolle Frankreichs und dessen „Widerstandsgeist“. Wer sich der Stimme enthalte, fliehe vor der Verantwortung.

Attal versicherte, es sei nicht die Absicht der Regierung, diese Debatte politisch zu „instrumentalisieren“. Genau das aber denkt ein großer Teil der Opposition. Im Namen des rechtsextremen Rassemblement National (RN) protestierte Marine Le Pen gegen Attals Polarisierungsversuch: „Entweder ist man pro Macron, sonst wird man beschuldigt, pro Putin zu sein.“

Ihre Partei und namentlich sie selber waren tatsächlich wegen ihrer Sympathie für Putin und Kontakten zum Kreml bekannt. Beim Votum enthielten sich die RN-Abgeordneten, angeblich „einzig und allein aus Solidarität mit der Ukraine“ der Stimme. Attal kommentierte dazu: „Pro Putin bleibt pro Putin.“

Die Linke war gespalten. Sozialisten und Grüne hatten kein Problem damit, das Hilfsabkommen zu billigen. Die Kommunisten und die Linkspartei La France insoumise (LFI) dagegen waren nicht nur mit pazifistischen Argumenten dagegen, sondern weil darin auch die Perspektive eines Beitritts der Ukraine zur EU und zur Nato erwähnt wird.

Das sei „eine rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, sagte LFI-Abgeordnete Manuel Bompard. Die Konservativen von Les Républicains votierten trotz ihrer Kritik an Macrons Kriegspolitik mehrheitlich mit Ja. Nach dieser für ihn glimpflich verlaufenen Abstimmung kündigte Macron für Donnerstagabend einen Fernsehauftritt an.

Seine Regierung hatte bereits angekündigt, Frankreich werde die Ukraine mit Kriegsmaterial im Wert von 3 Milliarden Euro helfen: 150 Drohnen, 6 weitere Caesar-Kanonen, jeden Monat würden 3.000 Granaten für die Artillerie produziert, außerdem beteilige sich Frankreich am Kauf außereuropäischer Munitionen durch die Tschechische Republik.

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