Sieg der Opposition in der Türkei: Erdoğans Götterdämmerung

Sein Ziel, eine islamische Verfassung durchzusetzen, wird Erdoğan nun wohl nicht mehr erreichen. In der Kurden-Frage könnte er aber etwas hinterlassen.

Ein Mann und eine Frau gehen an zwei Wahlplakaten vorbei: von dem des Präsidenten Erdogan gehen sie in Richtung des neuen Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu

Die türkischen Wähler haben neue Wege eingeschlagen Foto: Ali Unal/AP/ dpa

Nach 22 Jahren ununterbrochener Herrschaft der islamischen AKP von Recep Tayyip Erdoğan, hat die Partei und mit ihr auch Erdoğan erstmals eine vernichtende Niederlage erlitten. Zwar nur bei den landesweiten Kommunalwahlen, doch die haben in der Türkei eine weit größere Bedeutung als in Deutschland. Der Sieg der oppositionellen CHP in den größten Städten des Landes, aber auch landesweit in absoluten Zahlen, ist gar nicht zu überschätzen.

Nach 22 Jahren an der Macht, in den letzten zehn Jahren davon als immer autokratischer agierender Alleinherrscher, beginnt für Erdoğan nun die Götterdämmerung. Und zwar durch den Überdruss der Mehrheit der türkischen WählerInnen. Denn trotz aller Manipulationen, aller Medienmacht und aller faulen Tricks, die Erdoğan schon bei vielen Wahlen hat anwenden lassen, hatten die Wählerinnen eine echte Wahl, gibt es eine echte Opposition, die auch kandidieren konnte.

Die krachende Niederlage jetzt hat den Nimbus seiner Unbesiegbarkeit endgültig zerstört. Erdoğan ist zwar noch für weitere vier Jahre Präsident, doch in den Augen vieler TürkInnen ist er bereits jetzt zu einer „lame duck“ geworden.

Islamische Verfassung kommt wohl nicht mehr

Viele Oppositionelle in der Türkei hatten zwar immer wieder befürchtet, Erdoğan würde nur noch wählen lassen, wenn er sicher sei, dass er gewinne, doch schon seine Niederlage in Istanbul bei den Kommunalwahlen vor fünf Jahren hatte gezeigt, dass er die Wahlen nicht vollständig unter Kontrolle hat.

Sein wichtigstes verbliebenes Ziel, eine neue islamische Verfassung verabschieden zu lassen, wird er wohl nicht mehr durchsetzen können. Die Mehrheit der WählerInnen hat klargemacht, dass sie nichts davon hält. Er wird sich deshalb vor allem auf die Außenpolitik konzentrieren. In seiner Rede in der Nacht auf Montag hat er schon anklingen lassen, dass ein neuer militärischer Schlag gegen die kurdische PKK im Irak und die Kurden in Syrien vorbereitet wird. Ein großer Einmarsch im Irak ist im Gespräch.

Es ist aber auch nicht ganz ausgeschlossen, dass es noch einmal zu Gesprächen mit der PKK kommt, mit dem Ziel der Beendigung des bewaffneten Kampfes im Gegenzug für politische Zugeständnisse. Äußerungen aus dem kurdischen Lager lassen das möglich erscheinen. Für sein Vermächtnis in den Geschichtsbüchern wäre eine politische Lösung der Kurdenfrage sicher erstrebenswert. Ob er dagegen noch als Moderator von Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland reüssieren kann, hängt natürlich nicht von ihm ab. Vielleicht später, als Ex-Präsident im Ruhestand.

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