Verschärfte Mobilmachung in der Ukraine: Zunehmend kriegsmüde

Gut zwei Jahre Krieg zermürben die Männer an der Front und ihre Familien daheim. Selenskyjs neue Kriegsgesetze dürften kaum auf Zustimmung stoßen.

Ukrainische Soldaten der 71. Jägerbrigade feuern eine Haubitze M101 auf russische Stellungen an der Frontlinie.

Selenskyj senkt das Alter für die Einberufung von Reservisten von 27 auf 25 Jahre Foto: Efrem Lukatsky/ap/dpa

Es war eine Frage der Zeit, jetzt ist es soweit: Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Unterschrift unter mehrere Kriegsgesetze gesetzt, die die Mobilmachung neu regeln. Dabei birgt die Absenkung der Altersgrenze von 27 auf 25 Jahre noch vergleichbar überschaubares Erregungspotenzial. Schwerer wiegt eine umfängliche Erfassung der persönlichen Daten von Personen im wehrfähigen Alter in einem staatlichen Register.

Warum dazu Angaben zu deren Eltern gehören oder Auslandsreisen der Betroffenen abgefragt werden, erschließt sich nicht wirklich. Auch eine erneute medizinische Überprüfung „eingeschränkt tauglicher“ Männer dürfte bei den Betroffenen auf wenig Begeisterung stoßen. Warum Selenskyj solange gezögert hat, ist klar. Dieser Schritt kommt einem Offenbarungseid gleich.

Der Ukraine fehlt es nicht nur an Waffen und Munition, um sich verteidigen, geschweige denn russisch besetzte Gebiete zurückerobern zu können. Auch frische Kräfte für die Armee sind Mangelware. Diese zu rekrutieren, wird schwieriger. Die Bereitschaft, sich freiwillig zum Dienst an der Waffe zu melden, schwindet, auch wenn immer noch die Mehrheit der Ukrai­ne­r*in­nen Konzessionen an Russland eine Absage erteilt.

Mehrfach kam es in den vergangenen Monaten zu Kundgebungen Angehöriger von Soldaten, die in Sorge um ihre völlig erschöpften Söhne und Männer sind. Das alles sind sehr deutliche Indizien für eine wachsende Kriegsmüdigkeit. Dass der Druck im Kessel steigt und die Nervosität wächst, zeigen auch Selenskys Personalrochaden. Nach dem unfreiwilligen Abgang des Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Walery Saluschnyj, kam es zu einem Wechsel im Nationalen Sicherheitsrat.

Jetzt wurden auch noch einige Berater des Präsidenten abserviert. Angesichts dieser angespannten Lage klingt das Mantra von Kyjiws Verbündeten „as long as it takes“ zusehends hohl. Wirkliche Unterstützung und vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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