Umweltexpertin zu Lichtverschmutzung: „Wir brauchen eine Dunkelplanung“

Am Samstagabend ist die „Earth Hour“, die auf Lichtverschmutzung aufmerksam will. Sibylle Schroer erklärt, was wirklich helfen würde.

Eine beleuchtete Nebenstrasse

Bitte nicht so viel blaues Licht: Nebenstraße in München Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

taz: Frau Schroer, am Samstag ist „Earth Hour“, von Städten bis Privatmenschen sind dann alle dazu aufgerufen, eine Stunde lang das Licht auszuschalten. Bringt das was?

Sibylle Schroer: Es bringt etwas, weil es die Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass Licht nicht nur positive, sondern auch negative Auswirkungen hat. Wenn wir mit unserem Licht ständig die Nacht zum Tag machen, dann stören wir das Leben um uns herum. Kröten zum Beispiel können sich im Gegensatz zu uns Menschen fast nicht an die Helligkeit gewöhnen. Wenn die nachts in einen Lichtschein geraten, sitzen sie da wie erstarrt.

ist wissenschaftliche Koordinatorin Nachhaltigkeitsforschung am Leibniz-­Institut für Gewässer­ökologie und Binnen­fischerei. Bis 2021 koordinierte sie dort die Forschungsgruppe Lichtverschmutzung und Öko­physiologie.

Was würde denn eine messbare, grundsätzliche Veränderungen bringen?

Wir brauchen nicht nur eine Licht-, sondern auch eine Dunkelplanung. Momentan ist es so: Die Lichtplanung in Städten oder Kommunen ist dafür zuständig, dass es überall hell genug ist, dass also Straßenkreuzungen und die meisten Wege beleuchtet sind. Was fehlt: Dass wir auch Räume ohne Licht einplanen, wohin sich zum Beispiel Tiere zurückziehen können und nicht in ihrem Biorhythmus gestört werden. Dafür müssen wir auf drei Dinge achten: Wir dürfen nur die Räume beleuchten, wo tatsächlich Licht notwendig ist. An diesen Orten müssen die Leuchten abgeschirmt sein, das heißt, das Licht soll nur dahin gerichtet sein, wo es gebraucht wird. Wir müssen die Lichtstärke reduzieren. Und wir müssen darauf achten, wärmere Lichtfarben zu verwenden, also eher gelbliche Lichtfarben als kalte, bläuliche.

Es gibt einen Interessenkonflikt: Menschen wollen Beleuchtung, wenn sie nachts unterwegs sind. Für die Tierwelt wäre es am besten, auch die Straßenbeleuchtung nachts abzuschalten. Gibt es hier eine Lösung?

Eigentlich gibt es da keinen großen Konflikt. Wenn wir nachts in einer Stadt unterwegs sind, kommt es uns oft sehr dunkel vor, obwohl viel Licht um uns herum ist. Das liegt daran, dass wir so viele extrem helle Leuchtpunkte schaffen, Werbetafeln zum Beispiel. Wenn wir aus diesem Licht wieder heraustreten, dann kommt es uns dunkel vor. Das verursacht Angst, weil unsere Augen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen müssen und das dauert ein paar Minuten. Als Fußgängerin kann ich die Gesichter der Entgegenkommenden so erst bei sehr großer Nähe erkennen. Mit weniger Licht würden wir also ein höheres Sicherheitsgefühl schaffen. Weil wir weniger geblendet werden, weil es weniger Schattenwürfe gibt.

Also möglichst viel Licht nachts aus?

Nein, das nicht. Wir Menschen brauchen Licht, weil wir uns ganz im Dunkel nicht gut orientieren können. Aber wir müssen die Helligkeit insgesamt deutlich begrenzen.

Wie stark?

Sinnvoll wäre etwa, dass Werbetafeln ab 22 Uhr nur noch eine Leuchtdichte von maximal 1 bis 2 Candela haben dürfen.

Was heißt das?

Momentan haben wir etwa für Berlin die Regelung, dass Leuchtschilder maximal 100 Candela pro Quadratmeter hell strahlen dürfen. Es wäre also eine deutliche Reduktion.

Was würde sich damit ändern?

Das Licht wäre deutlich gemütlicher und das Wohlbefinden und Sicherheitsgefühl der Menschen höher. Denn momentan ist es ein Wettbewerb: Beleuchtung, die der Sicherheit dient, etwa bei Wegen oder Straßenschildern, muss immer heller sein als die Werbebeleuchtung. Denn sonst liegen ja die Straßenschilder im Schatten. Übrigens ist auf dem Land Straßenbeleuchtung oft nur ein Zehntel so hell wie in der Stadt, weil es dort diesen Wettbewerb nicht gibt, und das reicht auch. Wenn wir dann gleichzeitig auch die Lichtfarbe optimieren, also den Blaulichtanteil verringern, dann fühlen wir Menschen uns weniger gestresst und schlafen besser. Nicht umsonst wird an Wohlfühlorten wie im Spa immer warmes Licht mit geringem Blauanteil verwendet.

Und was würde sich in der dunkleren Stadt für die Tierwelt verändern?

Die Tiere würden ihre Rhythmen für Tag und Nacht und für die Jahreszeiten wiederfinden. Denn beides wird maßgeblich gesteuert durch das Hormon Melatonin, das durch Licht beeinflusst wird. Übrigens auch bei uns Menschen. Zudem bekommen Tiere, die Licht meiden, mehr Lebensräume. Auch die Insekten werden von wärmerem Licht in deutlich geringerem Maße angezogen.

Was können Ver­brau­che­r:in­nen selbst tun?

Sie sollten sehr genau hinschauen, welche Leuchten sie für den Außenbereich kaufen. Eine warme Lichtfarbe ist wichtig, das sind unter 3.000 Kelvin. Die Lampe sollte nicht nach oben strahlen, sondern einen klar begrenzen Lichtkegel nach unten oder in eine Richtung haben. Dimmbar sollte sie sein, um sie nur so hell einzustellen wie unbedingt nötig. Und eine Zeitschaltuhr ist wichtig, damit das Licht nur dann an ist, wenn es jemand braucht. Diese ganzen Solarlampen, die sich tagsüber aufladen und dann die ganze Nacht hell sind, sind übrigens nicht sonderlich nachhaltig: Sie stören nächtliche Besucher wie Igel oder Amphibien. Wer so etwas kaufen will: bitte nur mit Ausschaltknopf.

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