Israelischer Angriff auf Hilfskonvoi: „Hätte nicht passieren dürfen“

Israel übernimmt die Verantwortung für den Tod von humanitären Helfern in Gaza. Mehrere Organisationen kündigen einen Stopp ihrer Hilfen an.

Kinder schauen in den ausgebrannten Wagen der Hilfsorganisation World Central Kitchen

Menschen im Gazastreifen begutachten am Dienstag die bei einem Beschuss zerstörten Fahrzeuge der Hilfsorganisation WCK Foto: Abdel Kareem Hana/ap

JERUSALEM taz | Ungewöhnlich deutlich hat die israelische Armee nach dem Angriff auf einen Hilfskonvoi im Gazastreifen die Verantwortung für den Tod von sieben humanitären Helfern übernommen. „Das hätte nicht passieren dürfen“, sagte Armeechef Herzi Halevi am Mittwoch und entschuldigte sich für den „schweren Fehler“. Das Schuldeingeständnis unterscheidet sich von bisherigen Reaktionen der israelischen Militärführung, die Kritik an ihrem Vorgehen größtenteils zurückgewiesen und mit dem Kampf gegen die Hamas begründet hat.

Joe Biden, US-Präsident

„Das ist kein Einzelfall“

Der Drohnenangriff habe laut Halevi nicht dem Konvoi der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) gegolten, sondern sei einer „Verwechslung“ geschuldet gewesen. Die israelische Zeitung Ha’aretz berichtete am Dienstag unter Berufung auf Quellen innerhalb der israelischen Streitkräfte, der Angriff sei „Folge mangelnder Disziplin der Befehlshaber vor Ort“ gewesen. Beteiligte Kommandeure und Streitkräfte hätten entgegen Befehlen gehandelt. Die Armee äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu.

Hilfsorganisationen und Menschenrechtsgruppen haben seit Kriegsbeginn wiederholt beklagt, dass die Armee auch humanitäre Helfer, Journalisten und andere völkerrechtlich geschützte Personen und Einrichtungen angreift.

„Das ist kein Einzelfall“, kritisierte US-Präsident Joe Biden. „Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.“ Israel tue nicht genug dafür, die Zivilbevölkerung zu schützen.

Schiffe mit Hilfslieferungen kehren um

Israels Präsident Izchak Herzog versicherte dem Gründer der Hilfsorganisation WCK, José Andrés, telefonisch eine umfassende Untersuchung und entschuldigte sich für den „tragischen Verlust der Leben der WCK-Mitarbeiter“, hieß es in einer Mitteilung.

Der tödliche Angriff dürfte die Pläne der israelischen Führung erschweren, humanitäre Hilfe nicht mehr über die mit 13.000 Mitarbeitern größte Hilfsorganisation UNRWA verteilen zu lassen. Dieser wirft Israel Verbindungen zur Hamas vor. Nach WCK kündigten auch die US-Hilfsorganisationen Anera und Project Hope an, ihre Arbeit in Gaza vorübergehend einzustellen. Chaled Elgindy vom US-Thinktank Middle East Institute sagte dem Sender BBC: „Es gibt jetzt praktisch niemanden mehr, der die kleine Menge an Hilfe, die noch hineingelangt, verteilen kann.“

Laut dem zyprischen Außenministerium befinden sich mehrere Schiffe mit mehr als 200 Tonnen Hilfsgütern für die hungernde Bevölkerung in Gaza auf dem Rückweg nach Zypern. In dem Küstenstreifen sind laut UN-Organisationen mehr als 1 Million Menschen von der schlimmsten Stufe von Ernährungsunsicherheit betroffen.

Israel hat als Reaktion auf den Angriff die Einrichtung eines gemeinsamen Lagezentrums mit internationalen Organisationen zur Koordinierung humanitärer Hilfe angekündigt. José Andés forderte indes am Mittwoch in einem Beitrag in der israelischen Tageszeitung Jedi’ot Achronot, Israel müsse Hilfsrouten über Land einrichten. „Man kann diesen Krieg nicht gewinnen, indem man eine ganze Bevölkerung aushungert“, schrieb Andrés.

UN-Sicherheitsrat tagt wegen Angriff auf Iran-Botschaft

Auch im Fall des mutmaßlichen israelischen Angriffs auf das iranische Botschaftsgelände in Syrien ruft das Land die Verstimmung der internationalen Gemeinschaft hervor. Der UN-Sicherheitsrat in New York beschäftige sich auf Antrag von Russland noch am Dienstag mit dem Thema.

Die ständige Vertretung des Irans bei den Vereinten Nationen hatte nach dem Vorfall von einem „eklatanten Verstoß gegen die UN-Charta, das Völkerrecht und das Grundprinzip der Unverletzlichkeit diplomatischer und konsularischer Einrichtungen“ gesprochen.

Bei dem Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus waren am Montag zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, getötet worden.

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