Denkmal für deutsche Soldaten: Verehrte Kolonialverbrecher

Göttingen ehrt noch immer Soldaten der „Schutztruppe“, die in Südwestafrika Völkermord beging. Die Ratsopposition will eine Umgestaltung des Denkmals.

Ein Gedenkstein zwischen Büschen an einer Straßenkreuzung

Gut versteckter Stein des Anstoßes: Das Südwestafrika-Denkmal in der Geismar Landstraße Foto: Elisa Erpenbeck

HAMBURG taz | Das Südwestafrika-Denkmal in Göttingen steht recht unscheinbar, eingewachsen zwischen hohen Büschen, an einer Ausfallstraße. Als Stein des Anstoßes taugt es aber allemal noch. Denn es ehrt bis heute vier Göttinger Soldaten, die sich vor 120 Jahren freiwillig zur sogenannten „Schutztruppe“ für die damalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika gemeldet hatten und dort ihr Leben ließen, „für Kaiser und Reich“, wie es auf der Gedenkplatte heißt. Dass sie dort an den deutschen Kolonialverbrechen beteiligt waren, kommt auf dem ursprünglichen Gedenkstein nicht vor.

Das will die Ratsopposition nun endlich ändern: Grüne, Linke, Partei/Volt und der Abgeordnete des Bündnisses für nachhaltige Stadtentwicklung wollen am heutigen Freitag in der Ratssitzung einen Antrag einbringen, das Denkmal grundlegend umzugestalten. Nicht zum ersten Mal: Dagmar Sakowsky (Grüne) erinnert sich noch gut: „Zum ersten Mal haben wir das 1989 versucht.“ Damals hießen die Grünen noch Grün-Alternative Liste und waren allein mit ihrem Anliegen.

Inzwischen haben sie nicht nur zusätzliche Unterstützung gefunden, sondern auch die Zielsetzung weiterentwickelt: „Uns ist es wichtig, dass wir die Konzeption komplett in die Hände der Nachfahren der Opfer legen.“ Laut dem Antrag soll eine namibische Künst­le­r:in für die Umsetzung gefunden werden.

Bislang ergänzt nur eine nüchterne Infotafel zu den Kolonialverbrechen die marmorne Ehrentafel, die Offiziere des 2. Kurhessischen Infanterieregiments den vier Gefallenen „in Dankbarkeit und Treue“ gewidmet haben. Kurioserweise handelt es sich dabei um eine Replik von 1982.

Einen grausamen Vernichtungskrieg haben die deutschen Truppen von 1904 bis 1908 gegen die widerständigen Volksgruppen der Ovaherero und Nama geführt – in ihrer nur 20 Jahre währenden Kolonialherrschaft.

Dabei wurden bis zu 100.000 Menschen getötet – zunächst bei Kampfhandlungen, später wurden auch Zivilist:innen in die weitgehend wasserlose Omaheke-Wüste getrieben und auf dem Rückweg gemäß einem Tötungsbefehl gnadenlos abgeschlachtet.

In Konzentrationslagern fielen nach dem eigentlichen Krieg Tausende Hunger, Kälte und Zwangsarbeit zum Opfer. Die Kolonialverwaltung setzte erstmals explizit auf das Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“.

Als Völkermord hat Deutschland diese Verbrechen 2021 anerkannt und der namibischen Regierung 1,1 Milliarden Euro für ein Wiederaufbauprogramm zugesagt.

Organisationen von Ovaherero und Nama sind damit nicht einverstanden und fordern stattdessen Reparationen für die Nachfahren der Opfer.

Das Original hatten Stu­den­t:in­nen des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands 1978 geklaut, ebenso wie den bronzenen Adler, der einst über dem Gedenkstein thronte. Der wurde damals versteigert, der Erlös an Afrikas letzte antikoloniale Befreiungsbewegung gespendet, die Zanu-PF, die im damaligen Rhodesien gegen die weiße Vorherrschaft kämpfte.

Der Vogel fand schließlich seinen Weg ins namibische Nationalarchiv in der Hauptstadt Windhuk.

Die stellvertretende Bürgermeisterin Onyeka Oshionwu (Grüne) beschreibt, was den letzten Anstoß für eine erneute Befassung gegeben hatte: „Wir hatten vor zwei Jahren im Rahmen des Provenienzforschungsprojekts viele internationale Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zu Gast. Einige haben sich irritiert geäußert, dass wir einerseits so weit sind, schon mit der Rückgabe von Raubgütern begonnen haben – und dass andererseits so was noch einfach so hier rumsteht.“ Sie selbst ist der Meinung: „Das muss gar nicht unbedingt abgerissen werden, es kann auch verändert werden.“

Die Mehrheitsfraktionen SPD, CDU und FDP haben sich schon darauf geeinigt, den Antrag zunächst in den Kulturausschuss zu überweisen. Die CDU hält sich bedeckt, die inhaltliche Debatte müsse ja erst im Ausschuss geführt werden. Der Sprecher lässt aber durchblicken, dass die Christdemokraten das Denkmal in seiner jetzigen Form „kritisch“ sehen.

Die Stadt habe kein Geld, sagt die SPD

SPD-Fraktionschefin Elvan Tekindor-Freyjer tritt auf die Bremse: Es sei kein Geld vorhanden. Man wolle daher das Projekt auf der Suche nach einer „kostengünstigen“ Umsetzung „ausführlich“ und unter „Einbezug der zivilgesellschaftlichen Institutionen“ diskutieren.

Die „Vernetzung Göttingen Postkolonial“, die seit Jahren auch zu dem Südwestafrika-Denkmal arbeitet, fürchtet, dass das Thema im Ausschuss erneut versanden könnte – und dass die Perspektive der Betroffenen zu kurz kommt. Die Ak­ti­vis­t:in­nen haben für dieses Jahr ein Austauschprogramm mit jungen Na­mi­bier:in­nen organisiert.

Im September 2022 hatten sie den Berliner Herero-Aktivisten Israel Kaunatjike nach Göttingen eingeladen, der entsetzt über das Denkmal war. „Seine Botschaft an die Stadt war: Geht mit uns ins Gespräch!“, sagt Sarah Böger von „Göttingen Postkolonial“. Passiert ist das bislang nicht.

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