Sechs Monate nach dem Hamas-Anschlag: Verhandlungen und Truppenabzug

Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn verhandeln Israel und die Hamas wieder über einen Waffenstillstand. Israel zieht Teile der Armee aus Gaza ab.

Am Dizengoff Platz in Tel Aviv hängt ein Plakat mit dem Porträt einer Frau, die von der Hamas entführt wurde

Der Ton zwischen einem Großteil der Angehörigen und ihren Unterstützern und der Regierung und rechtsgerichteten Israelis wird zunehmend härter Foto: Hannah McKay/reuters

Vor der Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas hat das israelische Militär nach eigenen Angaben einen Großteil seiner Soldaten aus Chan Yunis im südlichen Gazastreifen abgezogen. Bis auf eine Brigade hätten sich alle Soldaten im Süden des Küstenstreifens zurückgezogen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Armeesprecher. Möglich ist ein Ende der israelischen Bodenoffensive, aber auch, dass sich Israel auf einen Einsatz in der Grenzstadt Rafah vorbereitet.

Genau ein halbes Jahr nach dem Überfall der Hamas auf den Süden Israels reisten Vertreter Israels und der Hamas nach Kairo. Unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars sollten dort die zuletzt schleppenden Verhandlungen über eine Waffenruhe und eine Freilassung der Geiseln fortgesetzt werden. Die Aussichten auf einen Durchbruch seien gering, berichtete die israelische Zeitung Haaretz unter Berufung auf Diplomatenkreise. „Die Hamas sieht, dass sie eine Aufstockung der humanitären Hilfen und einen Waffenstillstand auch durch internationalen Druck erreichen kann, der auf Israel ausgeübt wird“, zitierte die Zeitung eine israelische Quelle. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Sonntag bei einer Kabinettssitzung bereits im Vorfeld, er werde den „extremen“ Forderungen der Hamas nicht zustimmen.

Die Hamas-Führung entsandte zwar eine Delegation, wiederholte aber am Samstag ihre Forderungen aus einem Vorschlag von Mitte März. Dazu zählen ein dauerhafter Waffenstillstand, ein Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, die Rückkehr der vertriebenen Bewohner sowie ein „ernsthafter“ Austausch palästinensischer Gefangener gegen israelische Geiseln.

Auf dem Tel Aviver Habima-Platz erinnerten anlässlich des 7. Oktober Angehörige an die noch immer 133 in Gaza gefangenen Geiseln. Mit blutrot gefärbten Händen saßen sie zwischen Unterstützern, die sich in Form einer großen Sanduhr um sie gelegt hatten. Ihre Botschaft: Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn läuft die Zeit für ihre Angehörigen ab. Es wird befürchtet, dass viele der Entführten nicht mehr am Leben sein könnten.

Völkermordvorwurf Der Internationale Gerichtshof (IGH) will am Montag erste Anhörungen zur Klage Nicaraguas gegen Deutschland abhalten. Nicaragua wirft Deutschland den Verstoß gegen die Völkermordkonvention vor.

Militärische Unterstützung Am 1. März hatte Nicaragua vor dem IGH Klage gegen Deutschland eingereicht. Die Begründung: Die Bundesrepublik begünstige mit militärischer und anderweitiger Unterstützung Israels „die Begehung eines Genozids“ im Gazastreifen. Deutschland sei zudem nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, „alles Mögliche zu tun“, um dies zu verhindern. (taz, ap)

Die israelische Armee meldete am Samstag, die Leiche des 47-jährigen Elad Katzir in Chan Yunis geborgen zu haben. Dieser sei „in Gefangenschaft ermordet worden“. Katzir war in einem im Januar von der Gruppe Palästinensischer Islamischer Dschihad veröffentlichten Video zu sehen gewesen. Seine Schwester, Carmit Palty Katzir, warf der israelischen Führung vor, durch eine Einigung hätte ihr Bruder lebend zurückkommen können.

Der Ton zwischen einem Großteil der Angehörigen und ihren Unterstützern auf der einen sowie der Regierung und rechtsgerichteten Israelis auf der anderen Seite wird zunehmend härter. Am Samstagabend demonstrierten Zehntausende in Tel Aviv und weiteren Städten für Neuwahlen und ein Abkommen mit der Hamas. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei, die mindestens fünf Menschen in Gewahrsam nahm. Fünf weitere wurden verletzt, als ein Autofahrer unter bisher ungeklärten Umständen durch eine Menschenmenge fuhr. Der Fahrer wurde festgenommen.

Die Regierung Benjamin Netanjahus trägt wenig dazu bei, die Situation zu beruhigen: Kommunikationsminister Shlomo Karhi von Netanjahus Partei Likud machte am Abend „Anführer der Linken“ verantwortlich für die Eskalation. Ein Regierungssprecher hatte die Protestbewegung zuletzt „Nuchba Kaplan“ genannt, in Anlehnung an eine Eliteeinheit der Terrororganisation. Auch Netanjahu selbst hatte den Demonstranten mehrfach vorgeworfen, der Hamas in die Hände zu spielen.

Indes hat die israelische Führung nach einem mutmaßlich israelischen Luftschlag auf das iranische Konsulat in Damaskus vergangene Woche Vorsichtsmaßnahmen für eine mögliche Ausweitung des Krieges getroffen. Reservisten der Luftabwehr wurden eingezogen, Soldaten in Kampfverbänden wurde ihr Urlaub gestrichen. Zudem weiteten die israelischen Sicherheitsbehörden die Störungen von GPS-Diensten auf Tel Aviv und Jerusalem aus. Damit sollen unter anderem Drohnenangriffe erschwert werden.

Einem Bericht des US-Senders CBS unter Berufung auf einen US-Regierungsvertreter werde laut Geheimdienstinformationen seitens des Irans ein Angriff mit Marschflugkörpern erwogen. Ein hochrangiger iranischer Vertreter warnte am Sonntag, keine israelische Botschaft sei mehr sicher.

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