30 Jahre Völkermord in Ruanda: Der Präsident mahnt und warnt

Düstere Stimmung beim Gedenken an den Beginn des Völkermords an Ruandas Tutsi. Ethnische Säuberung sei erneut hoffähig, warnt Präsident Kagame.

Ein Mann steht an einem Redepult, im Hintergrund gefüllte Stuhlreihen

Ruandas Präsident Kagame zur Gedenkveranstaltung in Kigali 30 Jahre nach dem Völkermord Foto: reuters

BERLIN taz | Tiefblaues Licht füllt die weitläufige Arena, als vor Tausenden Zuschauern die Tanzgruppe mit stilisierten Gewaltszenen Motive aus dem Völkermord in Ruanda 1994 nachspielt. „Hundert Tage nur Tränen und Dunkelheit“, intoniert der Sprecher, und dann: „Atmen. Aufstehen. Stark bleiben.“

Die Gedenkfeier in der Hauptstadt Kigali am Sonntag zum 30. Jahrestag des Beginns der Massaker an rund einer Million Tutsi durch die damalige ruandische Armee und Hutu-Milizen 1994 steht ganz im Zeichen von Entschlossenheit.

Kwibuka“ (Erinnern) heißt das alljährliche Völkermordgedenken in Ruanda, das mit einem Staatsakt am 7. April beginnt. Tonangebend dabei ist immer der Auftritt von Präsident Paul Kagame, der 1994 die damalige Rebellenbewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) führte, die dem Völkermord ein Ende setzte.

Viel mehr als sonst rückte Kagame in seiner Rede dieses Jahr die überlebenden Tutsi, die sich oft marginalisiert gefühlt haben, in den Mittelpunkt. „Wir stehen in eurer Schuld“, sagte er an sie gerichtet. „Wir baten euch um das Unmögliche“ – nämlich Versöhnung mit den Tätern, damit Ruanda als geeinte Nation wieder auferstehen kann. Das hätten sie getan, und dafür gebühre ihnen Dank.

„Unsere Tränen fließen nach innen“, sagte er und traf eine verbreitete Stimmungslage: „Mit den Jahren kämpfen die Nachkommen der Überlebenden zunehmend mit großer Einsamkeit.“

Zentral war aber etwas anderes: Anprangern, dass Täter des Genozids bis heute in der Demokratischen Republik Kongo aktiv sind. „Reste dieser Kräfte sind immer noch in Ostkongo und genießen Unterstützung in Sichtweite von UN-Friedenstruppen; ihre Ziele haben sich nicht geändert“, mahnte Kagame.

„Wir sehen viele Akteure, sogar einige in Afrika, die sich direkt einbringen, wenn tribale Politik erneut hochkommt und ethnische Säuberung vorbereitet und praktiziert wird. Was ist mit uns geschehen? Ist dies das Afrika, in dem wir leben wollen?“

Und sollte es noch jemand nicht begriffen haben, erinnerte Kagame daran, dass Völkermordgewalt gegen Tutsi in Ruanda zyklisch sei, in Abständen von rund 30 Jahren, vom Zeitraum um Ruandas Unabhängigkeit 1962 über den Genozid 1994 bis zu neuen Vorbereitungen heute, wie er sagte.

Aus dieser Geschichte habe Ruanda Lehren gezogen: „Warte nie, dass dich jemand rettet. Frage nie um Erlaubnis, um das Richtige zu tun, um Menschen zu schützen“, sagte der Präsident und erinnerte sich daran, wie er 1994 als RPF-Kommandeur trotz französischer Drohungen Ruanda befreite.

„Wir hatten keine Angst mehr“, erinnerte er sich und zog den Bogen zur Gegenwart: „Nichts kann schlimmer sein als das, was wir schon erlebt haben. Dies ist eine Nation von 14 Millionen Menschen, bereit, jedem Versuch entgegenzutreten, uns in die Vergangenheit zurückzubringen.“

Hintergrund ist die zunehmend aggressive Rhetorik „patriotischer“ kongolesischer Milizen und Politiker, die zu einem Krieg gegen Ruanda und gegen alle Tutsi drängen, weil Ruanda Kongos Tutsi-Rebellen unterstützt.

Jean Damascène Bizimana, Ruandas Minister für Nationale Einheit, monierte: „Wir erleben heute eine internationale Gleichgültigkeit ähnlich der gegenüber Ruanda 1990–94. Wartet man, dass es erneut eine Million Tote gibt, bevor man reagiert? Das wäre eine Schande, und diese Gedenkfeier ruft dazu auf, das zu stoppen.“

19 afrikanische Staats- oder Regierungschefs oder ihre Stellvertreter waren präsent, außerdem die Präsidenten von Israel und Tschechien und die Expräsidenten Bill Clinton und Nicolas Sarkozy aus den USA und Frankreich. Deutschlands höchster Vertreter war Exbundespräsident Horst Köhler.

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