Nachruf auf Maryse Condé: Vergebliche Suche

Die Erinnerung an die Sklaverei war nur eines ihrer Themen. Die Autorin Maryse Condé schrieb über die Schicksale schwarzer Menschen.

Porträt von Maryse Condé - aufgenommen 2018 bei einer Preisverleihung

Maryse Condé ist im Alter von 90 Jahren gestorben Foto: Christine Olsson/TT/picture alliance

Maryse Condé, die „Grande Dame der frankofonen Literatur“, wie sie von machen Rezensenten genannt wird, ist tot. Die 90-Jährige wuchs als jüngstes von acht Geschwistern auf der Karibikinsel Gua­deloupe auf. Mit 16 ging sie nach Paris und studierte Englisch an der Sorbonne. 1958 heiratete sie den guinesischen Schauspieler Mamadou Condé. Zusammen mit ihren vier Kindern waren sie vorwiegend in West­afrika unterwegs, wo sie an verschiedenen Sprachinstituten arbeitete.

1973 kehrte sie nach Frankreich zurück, promovierte über die Stereotype von Schwarzen in der westindischen Literatur. Zuletzt lebte sie in New York und Gua­deloupe.

Ihre Wanderjahre durch Westafrika liefern den Stoff für ihren bekanntesten historischen Roman „Segu. Die Mauern aus Lehm“ (1984) für den sie 2018 den Alternativen Literaturnobelpreis bekam. Segu liegt in Mali zwischen Timbuktu und Bamako und war bis zur muslimischen Eroberung 1861 Hauptstadt des Königreichs Bambara. Der Animismus der Mehrheit mit seiner sexuellen Freizügigkeit gilt den Korangläubigen als Sünde, den heranrückenden französischen Kolonialisten mit ihren Missionaren als barbarisch.

Condés Roman erzählt von immer neuen historischen Wendungen, Allianzen, Feindschaften, der Macht der Männer, der Unfähigkeit der Menschen zum Frieden und ihrer vergeblichen Suche nach einem Sehnsuchtsort. Sei es Afrika für die in der Karibik gestrandeten Sklaven oder für die Afrikaner Jamaika, wo sich die angeblich heldenhaften Maroons von der Sklaverei befreiten. Condé entmystifiziert, erzählt sinnlich und grausam von Schicksalsschlägen. Auch was ihr eigenes Leben betrifft.

Verunsicherung auch im eigenen Leben

In Deutschland bekannt wurde Condé durch ihre Autobiografie „Das ungeschminkte Leben“ (2020). Darin beschreibt sie ihre Orientierungslosigkeit, fragwürdige Männerbeziehungen und die schuldhafte Verunsicherung, was sie ihren vier Kindern durch ihr unstetes Leben zumutete.

Condé war erste Präsidentin des Komitees zur Erinnerung an die Sklaverei

Als engagierte Schriftstellerin sah sie sich nicht: „Ich schreibe über Sklaverei, über Afrika, über den Zustand der schwarzen Menschen in der Welt, weil ich meine Gedanken ordnen, die Welt verstehen und mit mir selbst Frieden haben will.“

Dabei war sie durchaus engagiert: Condé war erste Präsidentin des Komitees zur Erinnerung an die Sklaverei. Auf ihre Ini­tiative geht zurück, dass seit 2006 der 10. Mai als Tag des Gedenkens an die Sklaverei begangen wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.