Reform des Abtreibungsrechts: Anfang vom Ende des Gebärzwangs

Eine Expertinnenkommission empfiehlt die Legalisierung von Abtreibungen in den ersten drei Monaten. Der Gebärzwang könnte nun endlich ein Ende haben.

Ein roter Uterus mit der Aufschrift: Weg mit dem § 218 ist auf einer Demonstration zu sehen

Der Kampf gegen den § 218 ist noch nicht zu Ende Foto: Stefan Boness

Für bundesdeutsche Verhältnisse ist die Empfehlung geradezu revolutionär. Die von der Bundesregierung eingesetzte und rein weiblich besetzte Expertinnenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung fordert, dass der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mindestens innerhalb der ersten drei Monate einer Schwangerschaft legalisiert. Damit wäre der Gebärzwang, der hierzulande seit Gründung des Deutschen Reichs 1871 faktisch, und nur mit kurzer Unterbrechung in der DDR, herrscht, Geschichte.

Der Spielraum allerdings, den die Kommission dem Gesetzgeber jenseits dessen lässt, ist breit. Ob der Paragraf 218 tatsächlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll, bleibt dahingestellt. Möglich wäre, so die Kommission, dass die Ampel die Ausnahmen vom Abtreibungsverbot in den ersten drei Monaten derart weit fasst, dass zwar der Paragraf bestehen bleibt, Abbrüche aber anders als bisher rechtmäßig und straffrei wären.

Die weit progressivere Option, die die Kommission ebenfalls formuliert: den Paragrafen 218, mit dem unendlich viel Leid und Tod verbunden ist, endlich abzuschaffen.

Zentral wäre das deshalb, weil nur dann ein Wandel in den Köpfen möglich wäre, wenn Abbrüche im deutschen Rechtssystem ihren Platz nicht mehr kurz hinter Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch hätten. Das Stigma könnte abgebaut werden, Abbrüche würden aus der Schmuddelecke geholt. Sie könnten als das betrachtet werden, was sie sind: eine Gesundheitsleistung, die Frauen in die Lage versetzt, ihr Leben selbstbestimmt zu leben – und die im Zweifel eben auch Leben rettet.

Es braucht Druck auf die Ampel

Möglich nun, dass der Gesetzgeber den Spielraum ausnutzt und entsprechend den Kommissionsempfehlungen zu einer Lösung kommt, die Paragraf 218 abschafft und die Grundrechte von Frauen umfänglich achtet. Möglich aber auch, dass sich die Situation für ungewollt Schwangere hierzulande zwar verbessert – ein Paradigmenwechsel aber ausbleibt.

Damit die Ampel allerdings überhaupt aktiv wird, braucht es politischen Druck. Denn nach viel Eifer sieht es dort derzeit nicht aus. Der Gesundheitsminister zeigt kein Interesse, die Frauenministerin hält sich gerade so über Wasser und wird zur eigenen Rettung kaum auf ein Thema setzen, das so kontrovers ist wie dieses. Und die FDP will den Paragrafen 218 sowieso nicht abschaffen.

Nichtsdestotrotz: Zum ersten Mal liegt nun schwarz auf weiß vor, dass es verfassungsrechtlich nicht nur möglich, sondern sogar geboten ist, eine ungewollte Schwangerschaft auch aus der Perspektive der Frau zu denken. Dass reproduktive Rechte existieren. Und dass sie in einem Rechtsstaat als Menschenrechte geachtet werden müssen.

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war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erscheint mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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