Haus der Heilsarmee in Göttingen: Unterkunft für Obdachlose verfällt

Ein Wohnheim der Heilsarmee wird nur notdürftig repariert. Bewohner fürchten, dass es bald nicht mehr zu retten ist. Doch die Stadt spielt auf Zeit.

Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in der Unteren Maschstraße in Göttingen

Maroder Bau: Das Gebäude der Heilsarmee in der Göttinger Altstadt Foto: Tilman2007/Wikimedia Commons

HANNOVER taz | Das „Haus der Heilsarmee“ in der Unteren Maschstraße mitten in der Göttinger Innenstadt sieht immer noch nach einem imposanten Fachwerkbau aus. Der bröckelt allerdings schon seit einer ganzen Weile.

Eigentlich sei die Unterkunft dort längst niemandem mehr zuzumuten, sagt einer der Bewohner, Rainer Feuker. Der Keller ist aufgrund von Schimmelbefall gesperrt, im Mauerwerk tun sich immer neue Risse auf, mal explodiert hier ein Heizungsrohr, mal platzt dort eine Wasserleitung, Balkone sind nicht mehr zu betreten, in den Zimmern biegen sich Decken und Böden bedenklich durch, Türen lassen sich deshalb nicht mehr richtig schließen.

Die Anzahl der Schlafplätze musste schon erheblich reduziert werden, vor allem die Frauenschlafplätze wurden gestrichen – die sind zwar in Göttingen wie in anderen Städten Mangelware, aber die sanitären Anlagen für die Frauen befanden sich nun einmal im gesperrten Keller. 16 Plätze für die längerfristige Unterbringung gibt es zur Zeit noch, außerdem fünf Notbetten für kurzfristige Übernachtungen.

Alarm geschlagen haben die Betreiber und Bewohner deshalb schon 2021 – damals äußerte sich auch die Leiterin Esther Gulde noch öffentlich, zum Beispiel im Göttinger Tageblatt und der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), mittlerweile darf sie das nicht mehr. „Bitte wenden Sie sich an die Zentrale der Heilsarmee in Köln“, heißt es auf taz-Anfrage.

Ist das Konzept vielleicht nicht mehr genehm?

Dafür macht jetzt Rainer Feuker Rabatz, unterstützt vom Forum Waageplatz-Viertel, das sich schon mehrfach mit Offenen Briefen an die Oberbürgermeisterin, die Leitung der Heilsarmee und die Presse gewandt hat.

Besonders ärgert Feuker, dass Stadt und Heilsarmee mauern. „Seit mehr als einem Jahr hat sich von denen hier niemand blicken lassen, angeblich gibt es Gespräche, aber null Informationen an die Betroffenen.“

Feuker engagiert sich auch als Bürgervertreter im Sanierungsbeirat Nördliche Innenstadt. Aber auch dort flössen die Informationen nur spärlich, sagt er. Ab und zu referiert der Stadtbaurat, welche notdürftigen Reparaturen ausgeführt wurden. Aber zur langfristigen Perspektive der Einrichtung? Nichts.

Kein Wunder, dass die Gerüchteküche brodelt. Will die Heilsarmee die Einrichtung etwa loswerden? Ist das Konzept nicht mehr genehm? Immerhin kümmern sich hier gleich zwölf Mitarbeiter um gerade einmal 21 Bewohner. Die Leiterin der Einrichtung wohnt mit ihrer Familie und einer weiteren Mitarbeiterin im gleichen Haus.

Nein, versichert der Pressesprecher der Heilsarmee, Manfred Simon, man sei nach wie vor an dem Standort Göttingen interessiert und die Heilsarmee werde auch niemanden im Stich lassen. Allerdings seien nun verschiedene Lösungsmöglichkeiten im Gespräch und die müssten eben erst einmal vertraulich erörtert werden.

Stadt hält das Haus für bewohnbar

Auch die Stadt spricht von einem längeren Prozess und vertraulichen Gesprächen. Eine besondere Dringlichkeit will man hier nicht erkennen: Das Haus sei immer noch in bewohnbarem Zustand, man habe notwendige Reparaturen vorgenommen, außerdem wurde ein Statiker mit einem Riss-Monitoring beauftragt, auf dessen Ergebnisse man nun noch warte.

So etwas ähnliches, sagt Rainer Feuker, höre er nun aber auch schon seit drei bis vier Jahren. „Man bekommt das Gefühl, hier passiert erst was, wenn das Haus zusammenfällt.“

Auch die Aktivisten vom Forum Waageplatz-Viertel gehen davon aus, dass das Haus über kurz oder lang nicht mehr bewohnbar sein wird. „Durch die jahrelang versäumten Sanierungsarbeiten wurde das Gebäude derartig runtergewirtschaftet, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es zu einem Unglück kommt“, schreibt die Initiative, die sich gegründet hatte, um gegen den Verkauf des nahegelegenen alten Gefängnisses an einen Hostel-Betreiber zu protestieren.

Sie machen sich Sorgen um die drohende Gentrifizierung des Stadtteils unter dem Deckmantel der Sanierung und fordern eine alternative Unterbringung für die Heilsarmee, die nicht darauf hinausläuft, Obdachlose aus der Innenstadt zu vertreiben. Gerade für die Notunterkunft sei die Nähe zum Bahnhof wichtig.

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