Debatte über Sterbehilfe in Frankreich: Im Dickicht der ethischen Fragen

Frankreichs Regierung legt ein von Präsident Macron gebilligtes Gesetz zur Sterbehilfe vor. Doch wer bestimmt, ab wann ein Leiden unerträglich ist?

Emmanuel Macron, französischer Präsident, im schwarzen Anzug schaut ernst.

Sterbehilfe wird auch in Frankreich sehr kontrovers debattiert Foto: Stephane Lemouton/imago

PARIS taz | Die französische Regierung hat am Mittwoch nach rund 12-monatigen Diskussionen und Stellungnahmen einen Entwurf für das von Staatspräsident Emmanuel Macron seit Langem versprochene Sterbehilfegesetz vorgestellt und will es in den kommenden Monaten den beiden Parlamentskammern vorlegen.

Wie in vielen anderen Ländern wird das Thema einer Verkürzung des Leidens am Lebensende mit medizinischer Hilfe sehr kontrovers debattiert. Diverse ethische Fragen werden davon berührt oder aufgeworfen, was namentlich religiöse Institutionen (inklusive des Vatikans), aber auch Organisationen des Pflegepersonals zu oft widersprüchlichen Stellungnahmen herausfordert.

Darum, so meint Präsident Macron, braucht es einen gewissen politischen Mut für den Gesetzgeber, in einem so umstrittenen Bereich eine progressive Regelung vorzuschlagen: „Mit dieser Vorlage schauen wir dem Tod ins Angesicht“, hatte er Anfang März in einem Interview mit den Zeitungen Libération und La Croix gesagt.

Das hindert ihn aber nicht, gewisse Reizwörter wie beispielsweise den Begriff „ärztlich assistierter Suizid“ aus der Vorlage zu verbannen. Stattdessen ist von Sterbehilfe unter sehr strengen Voraussetzungen und im Rahmen einer Prozedur mit Kontrollen und Notausgängen die Rede.

Todestrank auf Gesuch – aber erst nach Prüfung

Eine Aussicht auf eine medizinische Hilfe beim Sterben sollen Pa­ti­en­t*in­nen nur dann bekommen, wenn sie volljährig (über 18 Jahre) und voll zurechnungsfähig sind, an einer als unheilbar erklärten Krankheit leiden, die nicht schmerzlindernd erträglich gemacht werden kann und die in einer absehbaren Frist zum Tod führen wird.

Sie müssen dann selber (oder eventuell mit von einer Vertrauensperson vorgelegten vorher verfassten Erklärung) einen Antrag auf eine medikamentöse Sterbehilfe stellen. Die Anfrage muss danach ausdrücklich nochmals bestätigt werden, damit diese von einem medizinischen Kollektiv innerhalb einer Frist von zwei Wochen geprüft werden kann. Gegen dessen positive oder negative Entscheidung kann allenfalls ein Widerspruch eingelegt werden.

Wenn das Gesuch akzeptiert ist, wird ein drei Monate gültiges ärztliches Rezept für ein todbringendes Medikament ausgestellt, das die Sterbewilligen danach selber einnehmen, ausnahmsweise könnte es im Fall einer Behinderung von einer Drittperson verabreicht werden. Bis zuletzt soll jedoch die Möglichkeit eines Verzichts garantiert bleiben.

Sowohl die Befürworter wie auch die Gegner einer solchen Regelung der Sterbehilfe erachten mehrere Punkte als problematisch. Ist es richtig, dass mit dem Kriterium der „vollen Zurechnungsfähigkeit“ beispielsweise Menschen mit Demenz und anderen degenerativen Pathologien, die das Urteilsvermögen einschränken, vom Recht auf Sterbehilfe ausgeschlossen werden?

Was genau gilt als „unheilbare“ Krankheit, und wer bestimmt, wann ein Leiden unerträglich wird und nicht gelindert werden kann? Auch ist es oft relativ schwer zu sagen, in welchem Zeitraum eine schwere Krankheit zum Tod führen würde. Vielleicht möchte der Gesetzgeber diesbezüglich mit Absicht einen Ermessensspielraum belassen, der je nach Fall von den Betroffenen und vom medizinischen Fachpersonal interpretiert werden kann.

Schon in der Vordebatte zeichnete sich aber ab, dass die nun vorgesehene gesetzliche Regelung mit ziemlich restriktiven Bedingungen den einen allzu ungenügend erscheint, anderen aber, meist aus Gewissensgründen, viel zu weit geht.

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