Reform des Abtreibungsrechts: Je katholischer, desto restriktiver?

Eine Kommission stellt am Montag Empfehlungen zur Reform des Abtreibungsrechts vor. Wie ist die Rechtslage im europäischen Ausland?

Demontstration mit Megafon und Schildern.

Proteste gegen das strenge Abtreibungsgesetz in Polen im Mai 2023 Foto: Sylwia Penc/Zuma Press/imago

BERLIN afp | Deutschland diskutiert erneut über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts. An diesem Montag sollen Vorschläge einer Kommission vorgestellt werden. Berichten zufolge wollen die Experten eine generelle Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Wochen empfehlen. Bisher ist eine Abtreibung nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet in den ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Wie sieht die Rechtslage anderen europäischen Ländern aus? Fünf Beispiele.

Niederlande

In den Niederlanden sind Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich, bei schweren Gesundheitsproblemen während der Schwangerschaft auch später. Frauen können sich für eine Abtreibung direkt an eine der Abtreibungskliniken im Land wenden – es gibt Beratungsangebote, aber keine Verpflichtung, diese in Anspruch zu nehmen. Eine früher vorgeschriebene fünftägige Bedenkzeit gibt es seit 2023 nicht mehr. Die Kosten einer Abtreibung trägt der Staat beziehungsweise die Krankenkasse. Geplant ist, dass künftig bis zur neunten Schwangerschaftswoche auch Hausärzte eine medikamentöse Abtreibung (Abtreibungspille) verschreiben können. Eine Abtreibung ist in den Niederlanden nur dann strafbar, wenn sie nicht in einem Krankenhaus entsprechend den Regeln vorgenommen wird.

Frankreich

In Frankreich sind Abtreibungen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche seit 1975 straffrei. Mittlerweile dürfen Schwangere bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Ein psychosoziales Beratungsgespräch ist nur für Minderjährige verpflichtend. Angesichts der Verschärfungen von Abtreibungsregelungen anderswo auf der Welt in den vergangenen Jahren hat Frankreich sich dazu entschieden, das Abtreibungsrecht zu stärken und vor möglichen zukünftigen Beschneidungen zu schützen. Vor gut einem Monat stimmte das Parlament dafür, die „garantierte Freiheit“, eine Abtreibung durchzuführen, in die Verfassung aufzunehmen. Paris zufolge ist Frankreich das erste Land, das das Abtreibungsrecht in der Verfassung verankert hat.

Italien

In Italien sind Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche grundsätzlich möglich. Ein entsprechendes Gesetz von 1978 sieht jedoch bestimmte Voraussetzungen vor. Vor einem Schwangerschaftsabbruch ist demnach eine verpflichtende Beratung nötig. Auf das Beratungsgespräch folgt eine Bedenkzeit von sieben Tagen. Innerhalb der ersten neun Schwangerschaftswochen ist eine medikamentöse Abtreibung möglich, bis zur zwölften Schwangerschaftswoche hingegen ein chirurgischer Eingriff mittels sogenannter Absaugung. Die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom hat seit Amtsbeginn immer wieder betont, keine Änderungen am Abtreibungsrecht vornehmen zu wollen.

Irland

Die Iren stimmten 2018 in einem Referendum für die Legalisierung von Abtreibungen. Seit dem 1. Januar 2019 dürfen Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft vorgenommen werden. Falls Leben oder Gesundheit der schwangeren Frau gefährdet sind oder es wahrscheinlich ist, dass das Baby noch im Mutterleib oder in den ersten vier Wochen nach der Geburt stirbt, ist dies auch später noch möglich. Die Frist von maximal 84 Tagen Schwangerschaft gilt ab dem ersten Tag der letzten Periode der Frau. Eine Ärztin oder ein Arzt muss bestätigen, dass die zwölf Wochen noch nicht vorbei sind. Drei Tage später kann die Abtreibung durchgeführt werden. Diese gesetzlich vorgeschriebene Zeitspanne soll der schwangeren Frau die Möglichkeit geben, sich ihrer Sache sicher zu sein.

Polen

Derzeit hat Polen eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Seit 2020 ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche nur noch nach einer Vergewaltigung oder Inzest erlaubt – oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Weist das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen auf, dürfen Frauen keinen Abbruch vornehmen. In der Vergangenheit hat das mehrfach dazu geführt, dass Schwangere mit Komplikationen im Krankenhaus unter ärztlicher Aufsicht starben, weil sich die Mediziner nicht trauten, einen Abbruch vorzunehmen. Das Parlament in Warschau hatte sich jüngst für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts ausgesprochen. Die Lockerung war eines der zentralen Versprechen von Regierungschef Donald Tusk im Wahlkampf. Seine Drei-Parteien-Koalition streitet aber noch darüber, wie eine Lösung konkret aussehen soll.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.