Aktivisten gewinnen gegen Investoren: Bergbau-Mine muss jetzt weichen

Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen in Honduras haben sich gegen die einflussreiche Lobby im Land durchgesetzt. Der nächste Konflikt steht aber schon an.

Mit Protest-Botschaften angemalte Steine liegen in einem Fluss.

Durch das Tagebauprojekt Guapinol der Bergbaufirma Los Pinares ist die Trinkwasserversorgung der An­woh­ne­r*in­nen gefährdet Foto: Knut Henkel

TEGUCIGALPA taz | Juana Zúñiga lächelt zufrieden. Die Umweltaktivistin aus der Kleinstadt Guapinol, rund vier Fahrtstunden von der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa entfernt, kämpft seit rund zehn Jahren gegen eine Mine im Nationalpark Carlos Escaleras.

Joaquín Mejía, Anwalt

„Nun muss die Mine zurückgebaut werden – ein Novum in Honduras und der ganzen Region“

Damals wurde grünes Licht für die Verkleinerung des Schutzgebiets um rund 217 Hektar Fläche gegeben – um die Mine Los Pinares zur Förderung von Eisen, Kobalt und Nickel aufbauen zu können. Zúñiga ist eines der Gesichter des „Gemeindekomitees zur Verteidigung der kommunalen und öffentlichen Güter von Tocoa“.

Am 6. Mai dann endlich der große Erfolg und der Grund für Zúñigas Freude: Das Gesetz 18-2024 ist in der gaceta oficial veröffentlicht, im offiziellen Mitteilungsblatt. „Nun muss die Mine zurückgebaut werden – ein Novum in Honduras und der ganzen Region“, meint Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía. „Die Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen haben sich gegen die Interessen der Investoren durchgesetzt.“

Letztere sind überaus einflussreich in Honduras. So sehr, dass es lange nicht nach dem von Mejía gefeierten Erfolg des friedlichen Protests aussah – sogar nachdem das Parlament schon im Februar das Gesetz verabschiedet hatte, das die Rohstoffförderung in dem Schutzgebiet stoppt. Denn in Kraft tritt ein Gesetz eben erst, wenn es auch in der gaceta oficial steht. Eigentlich muss das zehn Tage nach Parlamentsbeschluss geschehen, was im Falle von Gesetz 18-2024 aber ausblieb.

Ein mächtiges Netzwerk zwischen Politik und Wirtschaft

Wollte die Regierung um Präsidentin Xiomara Castros die Rettung des Nationalparks doch noch blockieren, zugunsten der Wirtschaft? Magnat Lenir Pérez und seine Ehefrau und Geschäftspartnerin Ana Facussé kontrollieren die im Bergbau- und Energiesektor agierenden Unternehmen Inversiones Los Pineros (ILP) sowie Inversiones Ecotec und weitere Konzerne anderer Branchen. Sie gelten als bestens vernetzt.

Der Aufstieg des Unternehmers ist mit seinen guten Kontakten zu Ex-Präsident Juan Orlando Hernández einhergegangen, der vor Kurzem in New York wegen Drogenschmuggels im großen Stil verurteilt wurde.

Doch auch zur Nachfolgeregierung von Xiomara Castros, die sich vor ihrem Amtsantritt 2022 gegen jegliche Bergbauaktivitäten in Honduras ausgesprochen hatte, hat Lenir Pérez gute Kontakte geknüpft. So ist seine Anwältin, Pamela Blanco Luque, die Ehefrau von Minister Tomás Vaquero Morris. Auch zum Ehemann der Präsidentin, Ex-Präsident José Manuel „Mel“ Zaleya, soll er gute Beziehungen pflegen.

Dieser immense Einfluss ist für Joaquín Mejía, aber auch für Rita Romero, Anwältin der Umweltbewegung von Guapinol, der zentrale Grund, weshalb das bahnbrechende Gesetz erst mit deutlicher Verzögerung in Kraft trat. „Nun warten wir darauf, wie und wann die Behörden den Rückbau der Mine einleiten werden“, meint Rita Romero.

Sie hat ohnehin alle Hände voll zu tun, um gemeinsam mit Juana Zúñiga und den anderen Akt­vis­t:in­nen der Umweltbewegung von Guapinol juristisch und öffentlich gegen ein weiteres Investitionsprojekt des Ehepaares Pérez/Facussé vorzugehen: ein Petcoke-Kraftwerk mitten in Guapinol. „Das Kraftwerk ist fast fertig und befindet sich auf dem Gelände der Eisenerz-Pelletieranlage – direkt gegenüber auf der anderen Flussseite“, erklärt Zúñiga und legt missbilligend die Stirn in Falten.

Petcoke oder Petrolkoks ist ein Erdölderivat, bei dessen Verstromung neben klimaschädlichen Treibhausgasen auch Schwermetalle wie Nickel, Cadmium und Vanadium freigesetzt werden, außerdem Schwefel. Das ist also gefährlich für die Menschen vor Ort, sofern nicht aufwendige Filtertechnik eingesetzt wird. An die Installation, Wartung und den Austausch der Filter glauben die Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen nicht. „Wir wollen die Kontaminierung der Region verhindern, verteidigen unseren Lebensraum und den unserer Kinder“, so Zúñiga.

Öko-Aktivismus mit Todesfolge

Doch Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen leben gefährlich in Honduras: Zúñiga hat Morddrohungen erhalten, ihr Mann José Cedillo saß mehrere Monate im Gefängnis. Noch schlimmer erging es den Umweltaktivisten Aly Domínguez und Jairo Bonilla. Sie wurden am 7. Januar 2023 von Auftragskillern erschossen. Sechs Monate später, am 15. Juni, folgte der Mord an Óscar Oquelí Domínguez in seinem Haus in Guapinol. Drei Morde, die bisher nicht aufgeklärt wurden und die dafür gesorgt haben, dass etliche Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen die Region verlassen haben.

Zu ihnen gehört Reynaldo Domínguez. Der Bruder von zwei der drei Ermordeten lebt seit fast zwölf Monaten im Haus von Ismael Moreno Soto. Der in Honduras nur als Padre Melo bekannte Jesuiten-Pater unterstützt die Umweltbewegung von Tocoa und kritisiert, dass das zuständige Ministerium für Menschenrechte den Bedrohten keine Hilfe gewährt habe. „Von einer Regierung, die sich verbal immer wieder für den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt engagiert, darf man mehr erwarten“, kritisiert der 64-jährige Geistliche.

Das meint auch Reynaldo Domínguez, der der Regierung mangelnden politischen Willen unterstellt: „Erst die massiven Proteste haben dazu geführt, gegen die Bergbaulobby vorzugehen“, meint der 60-jährige, drahtige Mann.

Anfang Mai hatte es Kundgebungen vor der Casa Presidencial gegeben, dem Amtssitz von Präsidentin Xiomara Castro. Daraufhin wurde das Gesetz 18-2024 schließlich freigegeben und veröffentlicht. Nun folgt die nächste Herausforderung: Per Referendum auf lokaler Ebene will die Umweltbewegung von Guapinol die Inbetriebnahme des Kraftwerks stoppen.

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