Aufarbeitung nach Skandal: Der NDR macht alles richtig

Nach Medienberichten über einen politischen Filter und ein mieses Arbeitsklima im Kieler Funkhaus nimmt sich der Sender des Problems vorbildlich an.

Das Logo des NDR vor dem Funkhaus in Kiel

Im Landesfunkhaus in Kiel soll ein Klimawandel eingeleitet werden Foto: Axel Heimken / dpa

Der NDR macht alles richtig. Ja, genau, einer dieser als fett und faul geltenden öffentlich rechtlichen Sender, bringt fertig, wovon Mit­ar­bei­te­r:in­nen anderer Medien nicht einmal träumen: Er stellt sich Vorwürfen, arbeitet Versäumnisse gründlich und transparent auf und versetzt die Richtigen.

Nicht von Anfang an. Als Springers Onlinemagazin Business Insider Ende August das erste Mal berichten wollte, dass leitende Re­dak­teu­r:in­nen im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein der Berichterstattung einen „politischen Filter“ zugunsten der Regierung auferlegen, wiegelte die Pressestelle des NDR ab. Der Konflikt zwischen einem Autor und der Redaktionsleitung über ein nicht geführtes Interview sei beigelegt. Dabei hatte ein geleakter interner Bericht nahegelegt, dass etwas im Argen liegen musste in der Politikredaktion in Kiel.

Was, können alle, die es wissen wollen, auf der Website des Senders nachlesen. Dort steht seit Dienstag ein weiterer Bericht, von zwei NDR-Redakteuren angefertigt, die seit dem 6. September mit 66 Mit­ar­bei­te­r:in­nen über bestimmte Vorfälle und das Betriebsklima gesprochen hatten. Die beiden Prüfer entlasten ihre Kol­le­g:in­nen zwar wenig überraschend vom Vorwurf einer zu CDU-nahen Berichterstattung. Das soll aber ohnehin die Unternehmensberatung Deloitte im Auftrag des Landesrundfunkrats untersuchen.

Aber in anderen entscheidenden Punkten sind sie schonungslos. Das betrifft vor allem die Leiterin der Politikredaktion, Julia Stein, und ihren Vorgesetzten, den Leiter der Fernsehsparte, Norbert Lorentzen. Im Bericht steht, wie sie im Alleingang entschieden, was gesendet wurde und oft genug auch wie. Das Vertrauensverhältnis der Redaktion zu Julia Stein wird als gestört beschrieben, Norbert Lorentzen als jemand, vor dessen schneidender Kritik Mit­ar­bei­te­r:in­nen Angst haben.

Beide müssen jetzt ihren Posten räumen, das hatte Landesfunkhaus-Direktor Volker Thormählen am Mittwoch mitgeteilt und eingeräumt, er hätte früher aktiv werden müssen. Er selbst bleibt allerdings. Dafür soll ein Team unter Leitung des Theologen und Managers Stephan Reimers einen Kulturwandel im gesamten Sender einleiten.

Wenn das gelingt, ist der NDR weiter als andere Redaktionen, in denen es genau solche hierarchischen Strukturen, ein nicht wertschätzendes Arbeitsklima und Abhängigkeitsverhältnisse freier Mit­ar­bei­te­r:in­nen gibt. Und nicht nur in Kiel und bei öffentlich-rechtlichen Sendern arbeiten Journalist:innen, deren Ego davon abhängt, mit möglichst vielen einflussreichen Po­li­ti­ke­r:in­nen per Du zu sein.

Auch wenn die Messlatte für öffentlich-rechtliche gebührenfinanzierte Sender besonders hoch liegt: Das heißt nicht, dass sich privatrechtliche Medienunternehmen darunter wegducken dürfen. Eine Fehlerkultur, wie sie jetzt der NDR in Kiel betreibt, stünde allen gut zu Gesicht. Der hausinterne Bericht zeigt auch Fehler in der Berichterstattung über den NDR-„Skandal“ auf. Am Ende bleibt die Frage, ob es bei einigen Medien einen politischen Filter gegen die Öffentlich-Rechtlichen gibt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.