Auslaufmodell Lebensversicherung: Die Privatrente ist nicht sicher

Mit Talanx gibt der erste große deutsche Versicherer die traditionelle Lebensversicherung auf. Die Branche will Zinsen nicht mehr garantieren.

Zwei ältere Frauen an einem Fitnessgerät

Was bringt es fit zu sein, wenn das Geld nicht reicht? Foto: dpa

BERLIN taz | Die Nachricht klingt nicht dramatisch – aber sie ist es. Der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern, Talanx, steigt aus dem Geschäft mit klassischen Lebens- und Rentenversicherungen aus. Das ist ein Meilenstein für das Geschäft mit der privaten Altersvorsorge. Sie wird für Verbraucher damit noch schwieriger und für Versicherer lukrativer.

Wer seine Kinder oder seine(n) PartnerIn finanziell absichern will, schließt eine Risikolebensversicherung ab. Wer älter wird, als der Vertrag läuft, sieht von seinen Beiträgen nichts wieder. Wer dagegen damit rechnet, den eigenen Ruhestand zu erleben, sorgt oft mit einer Kapitallebensversicherung in Form einer privaten Rentenversicherung vor. In Deutschland gibt es 60 Millionen dieser Verträge.

Bei der traditionellen Variante bekommen Kunden eine garantierte Verzinsung auf ihr Guthaben, solange der Vertrag läuft, zurzeit sind es 1,25 Prozent, früher waren es zeitweise 4 Prozent. Der Versicherer trägt das Risiko, dass an den Kapitalmärkten weniger abfällt.

Talanx ist nun der erste deutsche Lebensversicherer, der das Geschäft mit klassischen Rentenpolicen komplett aufgibt. Begründet wird das mit höheren Renditechancen, die Kunden bei neuen Geschäftsmodellen haben sollen. Dabei investiert der Versicherer mehr Geld in riskante Anlagen. Geht das schief, bekommen KundInnen anders als heute keine Verzinsung. Das ist ein Trend: Die italienische Generali hatte im Mai angekündigt, aus den Garantieverträgen auszusteigen, die Schweizer Zurich ist bereits ausgestiegen.

Garantie für die Beiträge

„Vielen unseren Kunden ist die Sicherheit ihrer Ersparnisse sehr wichtig“, sagt Talanx-Chef Jan Wicke. Deshalb bietet das Unternehmen KundInnen an, den Erhalt der eingezahlten Beiträge zu garantieren. Aber: Das ist eine sehr relative Garantie, deren Wert von der Preisentwicklung abhängt. Je höher die Inflation, desto weniger ist die Beitragsgarantie wert, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Denn dann bekommen die späteren Rentner weniger für ihr Geld.

Das Problem für die Altersvorsorge: VerbraucherInnen müssen wissen, wie viel Kapital ihnen später mindestens zur Verfügung steht. Bei den neuen Verträgen ist es weniger als bei den alten.

Bis spätestens Ende 2016 werden die Lebensversicherer der Talanx-Gruppe – die HDI Leben, Postbank Leben, Targo Leben und Neue Leben – den Verkauf der klassischen Garantieprodukte einstellen. Konkurrenten wie der Marktführer Allianz oder Axa setzen ebenfalls auf die neuen Verträge, stellen den Verkauf der traditionellen Varianten aber nicht ein. „Wir bieten beides an“, sagt eine Allianz-Sprecherin. 62 Prozent der Neuabschlüsse im ersten Quartal entfallen auf die neuen Verträge. „Wir spüren deutlich, dass die Kunden diese Produkte wollen“, sagt sie.

„Private Rentenversicherung ist gescheitert“

Doch Kundenwünsche lassen sich leicht vorschieben. „Die Versicherer steuern den Verkauf mit entsprechenden Informationen“, sagt Finanzexpertin Becker-Eiselen. Sie lehnt private Rentenversicherungen wegen der hohen Kosten grundsätzlich ab. „Trotzdem bleibt bei klassischen Verträgen wenigstens eine kleine Rendite übrig“, sagt sie. Ob das bei den neuen der Fall ist, ist fraglich. Für die Finanzexpertin steht fest: „Das Modell private Rentenversicherung ist gescheitert.“

Das sieht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ganz anders (GDV). „Bei keinem anderen Produkt bekommen Kunden eine lebenslange Rente, egal wie alt sie werden“, sagt ein Sprecher. Verbraucherschützerin Becker-Eiselen überzeugt dieses Argument nicht: „Wir sehen jetzt, dass die Versicherer das eben nicht können.“

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