Ausstellung nach Kunstraub als Hilferuf: Museum wirkt recht angefressen

Mit leeren Vitrinen inszeniert Hildesheims Roemer- und Pelizaeus-Museum seine Ausstellung als Notfall-Projekt: Im Herbst war es ausgeraubt worden.

Auf einen Sockel platziert eine Kuratorin Kunstobjekte, damit sie professionell ausgeleuchtet, fotografiert und anschließend ins Depot verbracht werden

Aufbau nur fürs Foto: Die wertvollsten Objekte der Schau sind nach einem Fototermin ins Depot gewandert Foto: Sigmar von Blanckenburg/RPM

HILDESHEIM taz | Zu den eingängigsten Werbeslogans für Glasreiniger zählte einst der Spruch „Sie sehen, dass Sie nichts sehen“. Das Hildesheimer Roemer und Pelizaeus-Museum eröffnet am Mittwochnachmittag unter dem Titel „Es ist angerichtet“ jedoch keine Sidolin-Sonderausstellung. Es soll vielmehr das erste Kapitel der neu konzipierten Dauer-Bespielung sein, die dazu dient, die hauseigene Sammlung in Szene zu setzen.

Mit den blank geputzten, jedoch weitgehend leeren Vitrinen zeigt man, dass man nichts zeigen kann, obwohl man doch so einiges hat. Aber es würde einfach zu teuer. Oder zu riskant. Oder beides: „Wir müssen uns schon fragen, wie viel Museen wollen wir uns noch leisten“, sagt die vor neun Monaten vom Leidener Rijksmuseum van Oudheden an die bürgerliche Institution in Hildesheim gewechselte Direktorin Lara Weiss.

Fast nichts muss es korrekterweise heißen. Einerseits gibt es Fotos von den Arrangements der Sammlungsstücke in den Vitrinen, wie man sie gezeigt hätte, wenn nicht im Herbst ein Einbruch die Sicherheitsfrage neu gestellt und die Versicherungs-policen hochgesetzt hätte.

Andererseits: Ein paar Originale traut man sich doch, zu präsentieren. Eine Haifisch-Falle aus der Südpazifik-Region etwa ist in natura ausgestellt. Ebenso können ein paar kürbisförmige Keramiken aus Peru bewundert werden. Und dann darf noch ein Hildesheimer Kohleherd aus der Fabrik des lokalen Industriepioniers Anton Senking, der auf ebay vielleicht 300 Euro einspielen würde, die Aura des Originals verbreiten.

Abschottung statt neuer Offenheit

Thema der Ausstellung ist eine „kulinarische Reise durch die Zeit“. Der Plan war, mit ihr die Abteilungen des Hauses – vor allem Ethnologie und Naturkunde – mit der stadtgeschichtlichen Sammlung zu verzahnen. Die war zuvor im Knochenhauer-Amtshaus am anderen Ende der Altstadt untergebracht.

Die Aufgabe dieses Standorts spart Geld – und soll zugleich helfen, das kriselnde Traditionsmuseum attraktiver zu machen. Das tut not: Einen Steinwurf entfernt von der Welterbestätte des Doms und dessen umwerfender Schatzkammer fristet das RMPM ein Schattendasein, außer, wenn’s um Ägypten geht.

Vor zwei Jahren war das Museum knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt. Weiss hat als neue Direktorin den Auftrag, ein Defizit zu verhindern. Die Dauerausstellung niedrigschwelliger zu machen, sich noch stärker zu öffnen, wäre ihre Idee. „Das ist ein lebendiger Ort für Inspiration, Kritik und Spaß“ kommuniziert ein etwas textlastiges Banner sie in Richtung City.

Stattdessen brennt jetzt die Frage, wie man sich besser abschotten kann: In der Nacht zum 30. Oktober hatten Räuber ein Fenster auf der Rückseite des Museums eingeschlagen, hatten gezielt ein Kerzenleuchter-Paar und einen Schultertopf aus Porzellan an sich gebracht und waren damit verschwunden. „Bislang können wir nichts über Ermittlungsergebnisse bekanntgeben“, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Auch der Schätzwert des Raubguts wird aus polizeitaktischen Gründen nicht beziffert. Aber die Auswahl beweist die Expertise der bösen Vitrinenentleerer. Das Gefäß – als Ingwer- oder Schultertopf bezeichnet man eine traditionelle chinesische Behältnisform – stammt aus der Ming-Dynastie.

Lara Weiss, Museumsdirektorin

„Wir müssen uns schon fragen, wie viel Museen wollen wir uns noch leisten“

Die Kandelaber sind zwar viel jünger. Aber es handelt sich um „Prachtstücke“, wie Ernst Ohlmer 1898 in seinem Führer durch die Sammlung schreibt, die er dem Museum vermacht hat. Sie tragen eine persönliche Widmung, die sogar das Herstellungsdatum benennt, nämlich „den ersten Tag des zehnten Monats des fünften Jahres der Regierung des Kaisers Chien-Lung“, sprich: den 19. November 1740. Es sind echte Unikate.

Weltweit, so informiert der Deutsche Museumsbund (DMB), gebe es einen „großen Schwarzmarkt für gestohlene oder geraubte Kulturgüter“. Für mehr Umsatz beim illegalen Handel sorgen nur Waffen- und Drogen. „Selbst für scheinbar unveräußerliche Objekte finden sich schnell Käufer*innen“, schreibt der DMB.

Und weil das Risiko des Scheiterns gering ist, wird vermutet, dass Museumsdiebstahl den Bankraub längst abgelöst hat, wenn’s darum geht, Unternehmungen der organisierten Kriminalität zu finanzieren. Seit Ende November warnt das Bundeskriminalamt mit Blick auf Hildesheim und den Raubzug im Kölner Museum für Ostasiatische Kunst im September angesichts der Zunahme erfolgreicher Einbrüche, „dass weitere Taten begangen werden könnten“.

Es fordert die Museen auf, ihre Sicherheitsmaßnahmen „insbesondere im Hinblick auf Ostasiatika“ zu überprüfen. Ein frommer Wunsch angesichts der Geldprobleme. „Schon der Normalbetrieb vieler Museen ist nicht auskömmlich finanziert“, erinnert die Sprecherin des DMB.

In Hildesheim wäre die Stadt als Trägerin zuständig, das Erbe zu sichern. Aber die verfolgt einen strikten Kurs der Haushaltskonsolidierung. Und anders als Bayern sieht Niedersachsen momentan keinen Bedarf für ein millionenschweres Sonderprogramm „Museumssicherheit“ für nichtstaatliche Museen: Aber: „Investitionen in die Sicherheitsinfrastruktur können im Rahmen des regelmäßig ausgelobten Investitionsprogramms für kleine Kultureinrichtungen gefördert werden“, informiert die Sprecherin des Kulturministeriums.

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