Bauernproteste in Frankreich: Mit gelben Mützen in Le Pens Arme

In Frankreich übernimmt die Führung der Bauernproteste ein Verband, der anschlussfähig an die Rechte ist. Die wittert vor den EU Wahlen ihre Chance.

Traktoren und Polizisten stehen sich auf einer Straße gegenüber.

Protestierende Bauern an einer Straßenblockade südlich von Paris am 1. Februar Foto: Christophe Ena/ap

PARIS taz | Immer näher rücken die französischen Bauern mit ihren Traktorkonvois an Paris und andere Städte heran – unbeeindruckt von den bisherigen Zugeständnisse der Regierung.

Regierungschef Gabriel Attal hatte am Dienstag im Parlament versichert, die Regierung stehe auf Seiten der Bauern – die Landwirtschaft sei „Stärke und Stolz“ des Landes. Doch punkten kann im Zug der Proteste vor allem die extreme Rechte.

Unter den Landwirten, die in der Provinz aus Protest gegen ihre prekären Lebensbedingungen Straßen blockieren oder mit ihren Traktoren in Richtung Paris fahren, fallen die senfgelben Mützen auf, die sie tragen.

Die Kopfbedeckung ist in zweifacher Hinsicht symbolisch: Die Farbe erinnert an die Protestbewegung von meist ländlichen „Wutbürgern“, die ab November 2018 und während der folgenden Monate mit ihren gelben Westen mit Demonstrationen und Straßensperren für eine höhere Kaufkraft und gegen den Mangel an Infrastrukturen und Dienstleistungen gekämpft hatten.

Zwischen Rotmützen und Gelbwesten

Umweltauflagen bleiben ausgesetzt Die EU-Komission gab am Mittwoch bekannt: Die Vorschrift, dass Ackerbauern vier Prozent ihrer Nutzflächen brach liegen lassen müssen, bleibe bis Jahresende ausgesetzt. Die entsprechende Regelung soll durch eine Vorgabe für den Anbau von Zwischenfrüchten ersetzt werden.

Einfuhrbegrenzungen für ukrainische Güter Zudem gab sie bekannt, dass Geflügel, Eier und Zucker aus der Ukraine künftig nicht mehr unbegrenzt zollfrei in die EU eingeführt werden dürfen. Dies hatte unter anderem Frankreich – größter Empfänger von EU-Agrarsubventionen – gefordert. (afp)

Die zweite historische Referenz sind die „Rotmützen“ (Bonnets rouges), die in der Bretagne 2013 – ganz in der Tradition der ländlichen Revolten früherer Jahrhunderte – erfolgreich gegen eine Öko-Schwerverkehrsabgabe revoltiert haben.

Die Abkürzung CR auf den gelben Mützen steht für „Coordination rurale“. Die „Ländliche Koordination“ ist heute der zweitgrößte Verband der Landwirte. Die hat es weit besser als die seit Jahrzehnten dominierende FNSEA (Fédération Nationale des Exploitants Agricoles) verstanden, die Wut der kleineren Viehzüchter, Geflügelhalter, Milchbauern und Gemüseproduzenten aufzugreifen und sie konfrontativ zu kanalisieren.

Die FNSEA dagegen blieb zunächst bei ihrer Rolle als privilegierte Partnerin der Regierung, der Industrie und der Supermärkte und zögerte, ihre Basis zu mobilisieren. Doch die wartete aber nicht auf eine Einladung und beteiligte sich spontan an den Aktionen, die vor zwei Wochen im Südwesten begonnen und sich seither auf das ganze Land ausgeweitet haben.

Die CR übernahm in zahlreichen Regionen die Führung einer Bewegung, die der Kontrolle durch die FNSEA und deren Jugendorganisationen Jeunes Agriculteurs (JA) entglitten war. Die gelben Mützen sind populär geworden.

Die Rechte unterstützt die Proteste

Die Ausrichtung dieses bäuerlichen Interessenverbands ähnelt in manchen Punkten der nationalistischen, protektionistischen und antieuropäischen Propaganda der extremen Rechten – und die unterstützt die Proteste seit Beginn.

Der Parteivorsitzende des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, der wie seine Chefin Marine Le Pen aus Solidarität die Landwirte der CR auf ihren Barrikaden besucht, bezeichnete sich sogar selber als „Wortführer unserer ländlichen Gebiete und Bevölkerung“. Einige lokale CR-Chefs, wie Serge Bousquet-Cassagne, verheimlichen nicht, dass sie mit der politischen Rechten sympathisieren. Marine Le Pen wiederum schürt nicht nur die Radikalität der Protestbewegung. Sie begrüßt gar den „Bruch zwischen der FNSEA und der Basis“ ausdrücklich.

Die Sympathien der in Bedrängnis geratenen Kleinbauern für die Rechte ist nicht neu. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen von 2022 erklärte rund ein Drittel der ländlichen Bürger*innen, im ersten Durchgang Marine Le Pen gewählt zu haben. Vielen von ihnen erscheint die Rechte als einzige Alternative zur liberalen Politik von Emmanuel Macron, zur derzeitigen EU-Politik und „Technokratie“.

Die Ex-Präsidentschaftskandidatin des RN hatte darum keine Mühe, einen politisch ähnlich gesinnten Landwirt zu finden, bei dem sie vor den Fernsehkameras auf einem von seinem Sohn gelenkten Traktor eine Runde drehen durfte.

Bauern werfen verzweifelt das Handtuch

Angesichts der wirtschaftlichen Probleme und wenig rosigen Aussichten in mehreren Sparten des Berufs, werfen viele französische Bauern verzweifelt das Handtuch. Andere geben an, sie seien nicht mehr motiviert weiterzumachen, wenn die Zuwendungen der EU-Agrarpolitik und nicht der Verkauf der Produkte zur wichtigsten Einnahmequelle würden.

Zwar sind die Landwirte also zahlenmäßig ein relativ kleines Wählersegment, doch sie haben Gewicht in der Gesellschaft: Landwirtschaft gilt als Teil der Tradition, mehr als 80 Prozent finden ihre derzeitigen Forderungen und Aktionen legitim. Die extreme Rechte kann mit ihrer Solidarisierung mit den Bauernprotesten so in den ländlichen Gebieten, die sich seit Langem von der Elite in Paris vernachlässigt fühlt, neue Stimmen gewinnen.

Fünf Monate vor den EU-Wahlen muss die Le Pen-Partei keine eigene Kampagne mehr führen, um bereits als Gewinnerin dazustehen.

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