Bedrohte Pressefreiheit in Italien: „Domani“ ist auch noch da

Nicht nur der aus dem Staatsfernsehen ausgeladene Schriftsteller Antonio Scurati besorgt die Italiener. Auch die Tageszeitung „Domani“ ist bedroht.

Mann mit Nelke spricht in ein Mikofon.

Antonio Scurati spricht auf einer Demonstration zum Tag der Befreiung in Mailand, am 25. April 2024 Foto: Alessandro Cimma/LaPresse via ZUMA Press

Ist in Italien die Pressefreiheit bedroht? Zwei Fälle sorgen gegenwärtig für Unruhe unter den Jour­na­lis­t*in­nen des Landes.

Am letzten Samstag fand sich der bekannte Autor Antonio Scurati – aus seiner Feder stammt die zum internationalen Erfolg gewordene Trilogie M über Benito Mussolini – plötzlich aus einem Polit-Talk des Staatsfernsehens Rai ausgeladen, in dem er einen kurzen Monolog zum 25. April, in Italien der Tag der Befreiung von Nazis und Faschisten, halten sollte.

Zugleich laufen Ermittlungen gegen drei Journalisten der Tageszeitung Domani, weil sie sich auf unlautere Art Informationen über Guido Crosetto, Verteidigungsminister in der Rechtsregierung unter Giorgia Meloni, beschafft haben sollen.

Scurati hatte schon einen Vertrag für seinen Auftritt. Doch dann hieß es aus dem Sender, sein Beitrag sei „aus verlegerischen Gründen“ gecancelt. Zugleich aber behauptete der für Informationsprogramme Verantwortliche der Rai, es habe bloß Unstimmigkeiten übers Honorar gegeben.

Kontrolle immer erdrückender

Das mag keiner so recht glauben. Scurati jedenfalls veröffentlichte den Text, den er hatte lesen wollen – und in dessen Zentrum stand die für die postfaschistische Regierungschefin Meloni hochnotpeinliche Frage, wie sie es denn mit dem Antifaschismus hält.

Vorneweg die Gewerkschaft der Rai-Journalist*innen, Usigrai, wollte die Mär vom Zwist ums Honorar nicht schlucken. Sie veröffentlichte einen Brandbrief, in dem es heißt: „Die Kontrolle der Rai-Spitze über die Information im öffentlichen Sender wird immer erdrückender“. So erdrückend jedenfalls, dass die Usigrai für den 6. Mai zu einem eintägigen Streik in allen Nachrichtensendungen des Staats-TV aufruft.

Mindestens genauso große Sorgen machen sich viele Medienschaffende Italiens auch über die Ermittlungen gegen die Tageszeitung Domani. Die hatte Details über die Geschäfte des Verteidigungsministers Crosetto veröffentlicht. Bevor er im Oktober 2022 in die Regierung Meloni eintrat, hatte er acht Jahre lang als Präsident des Verbands der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie gewirkt und bekam zugleich einen hochdotierten Beratervertrag von Leonardo, Italiens größtem Rüstungsunternehmen.

Crosetto war seinerseits hocherzürnt, als er Details über seine Honorierung in Domani lesen musste, und erstattete Anzeige. Vor wenigen Wochen kamen die Er­mitt­le­r*in­nen dem Mann auf die Spur, der die heiklen Informationen an Domani weitergereicht hatte: ein Offizier der Finanzpolizei, der in der nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft das Büro zur Aufklärung dubioser Geldflüsse leitete.

Neun Jahre Haft – theoretisch

Aus der Tatsache, dass die Domani-Journalisten sich dieser Quelle bedient hatten, soll ihnen nun ein Strick gedreht werden. Ihnen wirft jetzt die Staatsanwaltschaft Perugia vor, sie seien gleichsam als Mittäter des Beamten der Finanzpolizei beim illegalen Zugriff auf staatliche Datenbanken und beim Geheimnisverrat tätig gewesen. Theoretisch könnten ihnen, wenn die Anklage Bestand haben sollte, bis zu neun Jahre Haft drohen.

„All dies ist eines Landes nicht würdig, das auf die Gewaltenteilung und vor allem auf die Pressefreiheit hält“, entgegnet der Domani-Chefredakteur Emiliano Fittipaldi: „Wir glauben, einfach unsere Arbeit getan zu haben. Es gehört zum ABC des Journalismus, Nachrichten zu suchen“.

Noch ist es ein weiter Weg bis zu einer Anklage, doch schon die Tatsache, dass die Ermittlungen laufen, „erschüttert die Glaubwürdigkeit der Journalisten“, wie Stefano Vergine erklärte, einer der drei Beschuldigten, denn „man versucht, unsere ganze bisherige Arbeit zu delegitimieren“.

Noch allerdings sind auch in Italien die Pressefreiheit und der Quellenschutz hohe Rechtsgüter. Das ist auch einigen Abgeordneten aus dem Regierungslager aufgefallen. Sie wollen nachbessern, mit einem Gesetzesvorschlag, der Jour­na­lis­t*in­nen bis zu acht Jahre Haft androht, wenn sie Informationen publizieren, die „auf kriminellem Weg erlangt“ wurden.

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