Begrenztes Bargeld für Geflüchtete: Reala geht es nicht

Im Kieler Landtag streitet Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) jeden Koalitionsstreit zu Bezahlkarten ab und gibt Positionen ihres Hauses auf.

Sozial- und Integrationsministerin Aminata Touré am Rednerpult im Landtag Schleswig-Holstein

Gibt sich am Rednerpult im Landtag offen für Bargeld-Beschränkungen: Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) Foto: Christian Charisius/dpa

BREMEN taz | Der überraschendste Beitrag zur Bezahlkarte für Asyl­be­wer­be­r*in­nen kam bei der Landtagsdebatte am Donnerstag in Schleswig-Holstein aus der CDU. „Wir möchten doch niemandem verbieten, wie er das Geld einsetzt“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Uta Wentzel.

„Ob er damit nun Zigaretten kaufen will oder 50 Euro nach Hause schicken will über Western Union.“ Die Rücküberweisungen von Mi­gran­t*in­nen in ihre Heimatländer seien schließlich „wahnsinnig wichtig für die Entwicklung in den Ländern selbst“. Und: „Es ist von unschätzbarem Wert, was die Migranten leisten.“ Bei der Bezahlkarte gehe es nur darum, Kommunen zu entlasten, „sonst muss alles jeden Monat bar ausgezahlt werden“.

Die Idee hinter den Bezahlkarten hat die CDU-Frau damit ziemlich offensiv hinterfragt – schließlich ging es beim Bund-Länder-Beschluss explizit auch darum, Überweisungen in die Heimatländer zu erschweren und so vorgebliche Migrationsanreize einzudämmen. Später, am Telefon, rudert Wentzel ein Stück zurück. „Natürlich soll die Bezahlkarte kein Teil der Entwicklungspolitik sein“, sagt sie – und plädiert für einheitliche Lösungen in den Ländern. Aber: „So oder so werden Menschen einen Teil ihres Taschengeldes irgendwie nach Hause bringen. Wenn sie dafür kein Bargeld haben, dann verkaufen sie etwas. Man kann nicht alles steuern.“

Angestoßen hatte die Landtagsdebatte die FDP mit einem Antrag, in dem sie forderte, dass mit der Karte in Schleswig-Holstein „ausschließlich geringfügige Bargeldauszahlungen“ möglich sein sollten. Ihre beiden anderen Forderungen – keine Überweisungsmöglichkeiten und eine Nutzungsbeschränkung aufs Inland – sind eigentlich keine Forderungen, sondern ohnehin schon bei der Konzeption der Karte durch die Ministerpräsidentenkonferenz enthalten.

Wie viel Bargeld? Das bleibt unklar

Spannender war deshalb im Vorfeld die Frage diskutiert worden, wie sich Grüne und CDU zusammenraufen würden bei der landesspezifischen Konzeption der Karte. Die Kieler Nachrichten schrieben von einem Koalitionsstreit über die Frage, wie viel Bargeld die Asyl­be­wer­be­r*in­nen am Ende mit der Karte abheben dürfen.

Im gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen für die Landtagssitzung bleibt noch viel schwammiger Raum für diese Diskussion. Formuliert wird dort nur, das Abheben von Bargeld solle „in Höhe eines vorher definierten Betrags möglich sein“. Darin könnte sich theoretisch sogar der FDP-Antrag mit seiner Forderung nach „geringfügigen Bargeldauszahlungen“ wiederfinden.

Noch vor einer Woche klang das anders: Auf eine taz-Anfrage hatte das grün geführte Sozial- und Integrationsministerium geantwortet, man wolle eine diskriminierungsfreie Lösung entwickeln. „Dazu gehört auch, dass die Bargeldabhebung in Höhe des bisherigen Taschengeldes nach wie vor möglich ist.“ In Höhe des Taschengeldes – das würde bedeuten, jene kompletten 185 Euro, die Geflüchtete ausgezahlt bekommen, solange sie in Gemeinschaftsunterkünften leben und verpflegt werden.

Grünen-Fraktion findet SSW-Antrag besser

Wohl scheint sich die Grünen-Fraktion mit dem gemeinsamen Antrag denn auch nicht zu fühlen. Die Abgeordnete und Unterzeichnerin Uta Röpcke macht in der Sitzung keinen Hehl daraus, dass sie lieber dem Antrag des ­Süd­schleswigschen Wählerverbands (SSW) gefolgt wäre.

Der zeige „wie immer sehr pragmatisch“ Wege auf, die Bezahlkarte diskriminierungsfrei zu gestalten. „Inhaltlich stimmen wir Grüne mit Ihrem Antrag überein“, so Röpcke, „die Koalitionsraison zwingt uns dennoch dazu, diesen Antrag abzulehnen.“

Der SSW, der die dänische Minderheit im Land vertritt, hatte in seinem eigenen Antrag gefordert, dass Asyl­be­wer­be­r*in­nen mit der Karte „Bargeldbeträge an Geldautomaten nach eigenem Ermessen“ abheben können müssten – und dass es „keine regionalen Begrenzungen für die Nutzung der Geldkarte“ geben dürfe.

Grüne Sozialministerin sieht „keinen Konflikt“

Das grüne Unbehagen scheint allerdings nicht von der Fraktion bis in die Regierung zu reichen. Sozialministerin Aminata Touré demonstriert im Landtag offensive Einigkeit. Es gebe in der Koalition keinen Konflikt über Bezahlkarten. „Den haben wir nicht, weil wir gemeinsam auf diese Frage blicken“, so die Ministerin.

Statt rote Linien für die Diskussion aufzuzeigen, kritisiert Touré die eigene Partei dafür, dass sie im Bund aktuell keine Gesetzesänderung des Asylbewerberleistungsgesetzes mittragen möchte. „Ich verstehe das nicht“, so Touré. „Es kann in Koalitionen ganz viele Beschlüsse geben, die man nicht zu 100 Prozent mitträgt. Da muss man aber gesamtpolitische Verantwortung übernehmen.“

Vergessen scheint die Forderung des eigenen Ressorts aus der vorigen Woche, Beträge in voller Höhe auszuzahlen. Selbst eine Mindesthöhe für Bargeldauszahlungen nennt Touré vor dem Landtag nicht. Im Gegenteil: Man diskutiere noch, ob die Bargeldauszahlung am Ende „geringer oder höher sein soll“ als in Hamburg. Der Stadtstaat hat als erstes Bundesland die Karte bereits vergangene Woche eingeführt und dabei die Bargeldabhebung auf 50 Euro beschränkt – vorbei am grünen Koalitionspartner und gegen dessen ausdrücklichen Protest.

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