Berliner Ex-Flughafen Tempelhofer Feld: Dem Tower aufs Dach gestiegen

Der Tower des Flughafens Tempelhof ist nun zugänglich. Eine Ausstellung liefert Historie – aber keine Antworten, was aus dem Komplex mal werden soll.

Eine Illustration zum wieder eröffneten Tower im stillgelegten Flughafen Tempelhof - man kann aufs Dach steigen und aufs Tempelhofer Feld schauen

Vom Dach des Towers im stillgelegten Flughafen Tempelhof bietet sich ein spektakulärer Blick Illustration: Jeong Hwa Min

BERLIN taz | Die Aussicht hier oben auf dem Dach ist tatsächlich spektakulär. Vor einem erstreckt sich das ganze schier endlos große Tempelhofer Feld: Mitten in der Stadt ist die Stadt gar keine Stadt, sondern ein riesiger Abenteuerspielplatz für alle. Hallo „Dingadu Einradfahrschule“! Hallo Rübezahl-Garten! Hallo Ungarisches Habichtskraut, Braunkehlchen und Steinschmätzer! Schön, dass ihr euch alle hier auf der Mega-Brache niedergelassen habt.

Wirklich toll hier oben auf dem nun wiedereröffneten Tower des stillgelegten Flughafens Tempelhof in Berlin, kurz: THF Tower – absolut empfehlenswert! Allerdings: 6 Euro kostet es, Buchung vorab erwünscht, um mal fünf Minuten lang – denn danach wird’s langweilig – Höhenluft zu schnuppern. Wirklich angemessen ist dieser Eintrittspreis nicht. Oder muss man es so sehen, dass man für sein Geld immerhin noch die neu eröffnete Ausstellung „Horizonte. Flughafen Tempelhof 1990–2023“ besuchen darf?

Die verdeutlicht aber eher, dass so ein Tower-Besuch eigentlich gar nichts kosten sollte. Weil: Wirklich schön ist sie nicht, die Ausstellung, die im Wesentlichen aus zusammengetragenen Zeitungsartikeln und Studien besteht, die in den letzten drei Dekaden rund um den Flughafen Tempelhof und das Tempelhofer Feld zusammengetragen wurden. Aber informativ im Sinne der politischen Meinungsbildung. Welche Bedeutung hat dieses Gelände und was soll einmal aus ihm werden? Dieses Wissen sollte eigentlich frei zugänglich gemacht werden

In der Ausstellung und im zugehörigen Katalog wird vor allem noch einmal die ganze Historie des Flughafens nach der Wende aufbereitet. Schon Anfang der Neunziger, da war eine eventuelle Schließung noch ganz weit weg, wurden sich Gedanken über eine Nachnutzung des Areals gemacht. Bis zum tatsächlichen Ende 2008 wurde hin und her debattiert, ob Tempelhof nicht doch als Flughafen zu retten sei. Universitäten und Architekten entwarfen Nachnutzungspläne ohne Ende, eine Ideenwerkstatt nach der anderen wurde ausgerufen.

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Ein Berg aufs Feld

Vor allem mit der Zukunft des Flugfeldes wurde sich auseinandergesetzt. Was aus dem denkmalgeschützten Flughafen werden sollte, war weitgehend egal. Am spektakulärsten war sicherlich der Vorschlag eines Künstlers, auf das Feld einen Berg von mehr als 1.000 Meter Höhe zu setzen. Die Visualisierungen dieser Visionen lassen sich auch in der Ausstellung noch einmal betrachten – aufregend!

Wäre der Berg gekommen, würde man hier nicht bloß öde Rollerskaten und Minigolf spielen, sondern Mountainbiken und Bergziegen beobachten. Und hätte auch hier oben vom THF Tower aus ein noch prachtvolleres Panorama vor sich als jetzt.

Vor neun Jahren entschieden sich die Berliner und Berlinerinnen per Volksentscheid nicht nur gegen eine Neu- oder auch bloß eine Teilbebauung des Feldes. Sie wollten vielmehr, dass hier alles so belassen wird, wie es ist. Und auch wenn ein damals von der SPD geführter Berliner Senat mit Volksentscheiden umgehen konnte, wie es ihm passte, und das auch immer wieder tat: Dieses Mal hielt er sich an das Ergebnis. Womit leider auch die Sache mit dem Berg gestorben war.

Und all die Studien und Zukunftspläne: umsonst. Aber gut, damit konnte man sich fortan wenigstens wieder konzentrierter Gedanken darüber machen, was mit dem vermaledeiten Flughafengebäude passieren soll. Oder besser gesagt: Man hätte sich Gedanken machen können. Hat man aber lieber nicht. Noch fanden hier ja Events statt wie eine Modemesse, und ein paar der Räumlichkeiten dienten als Flüchtlingsunterkunft.

Nichts als Schlagwörter

Aber die Modemesse ist längst weg und ewig Flüchtlingsunterkunft zu sein ist irgendwie auch kein richtiger Plan. Also gibt es jetzt immerhin die „Vision 2030+“ für den Flughafen Tempelhof. Allein schon der Name ist gut gewählt. Deutet er doch in Richtung ferne Zukunft – das Jahr 2030 –, wenn es denn sein muss, sogar in eine noch fernere. „Vision 2030+“ heißt also eigentlich nichts anderes als: Irgendwann wird hier irgendetwas passieren.

Nach aktuellen Plänen soll das bedeuten, dass sich einmal Kunst und Kultur, aber auch Büros hier ansiedeln sollen. Die Schlagwörter, die jetzt an diesem Standort bloß noch mit Leben gefüllt werden müssen, lauten: „Berlin Creative District.“

Geht’s auch etwas genauer? Eher nicht. Das Berliner AlliiertenMuseum und das Deutsche Technikmuseum würden beispielsweise gerne hierherziehen. Aber noch gibt es keine definitiven Zusagen – für Niemanden.

Was genau also aus dem Flughafen Tempelhof einmal werden soll? Darauf hat am Ende nicht einmal die Ausstellung im Flughafen Tempelhof eine Antwort.

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