Bewegungstermine in Berlin: Wie man sich von der Angst befreit

Im Angesicht der Gesamtscheiße lässt sich leicht die Hoffnung verlieren. Damit das nicht passiert, ist es wichtig, aktiv zu bleiben. Einige Termine.

Eine Antifa-Fahne weht im Abendhimmel Berlins. Silvio Meier Gedenkdemonstration, die 2007 zum 15. Todestag durch Friedrichshain. Meier wurde 1992 von Neonazis getötet.

Trotz der rechten Landgewinne: Antifa bleibt notwendig Foto: Bernd Hartung

Manchmal fällt es schwer, nicht die Hoffnung zu verlieren. Ein Fünftel der deutschen Bevölkerung ist kaum eine Lebensspanne nach der Befreiung von Ausschwitz wieder bereit, eine zu breiten Teilen faschistische Partei zu wählen. Der Kampf der Klimabewegung scheint in einer Sackgasse, seit sich die bürgerliche Politik auf eine Taktik der Repression eingeschossen hat. Und gegen die Kriege, die überall auszubrechen scheinen, sind Linke erst Recht machtlos.

Dieses Gefühl der Machtlosigkeit, des Überrannt-Worden-Seins, kann ei­ne:n fertig machen. Dann nehmen wir die über uns hereinprasselnden Nachrichten nur noch passiv entgegen, sind von der Angst so eingenommen, dass wir erstarren. Laut Wikipedia stellt sich eine Angststarre in einer Gefahrensituation ein, wenn der Körper vor der Entscheidung „Kampf oder Flucht“ steht – doch nichts von beidem möglich scheint. Erstarrt warten wir dann, dass die Gefahr einfach vorüber zieht.

Womöglich ist dieses Gefühl ein Grund für die derzeit erlebte Mobilisierungsflaute, mit der linke Initiativen zu kämpfen haben. Dass am Tag der Deutschen Einheit Tausende auf einer rechtsradikalen Demo ohne großen Widerstand von links laufen konnten, steht paradigmatisch dafür.

Das Steinzeithirn ist ein Defätist

Doch es lohnt, sich in Erinnerung zu rufen, dass unser Steinzeithirn uns nicht immer angemessen auf Situationen reagieren lässt. Erstarren und Hoffen, dass die Gefahr vorüberzieht, macht die faschistische Bedrohung nur zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung. Passivität im Angesicht der Gesamtscheiße ist ein Symptom von Verdrängung; es ist der verzweifelte Versuch, die übermächtig erscheinenden Gefahren zu ignorieren.

Die eigenen Ängste zu konfrontieren bedeutet dagegen, aktiv zu werden – gemeinsam mit anderen Menschen. Solidarität, sich zusammen der Bedrohung der gesellschaftlichen Verrohung zu stellen, wird so zu einer transformativen Praxis. Sie besitzt die magisch anmutende Eigenschaft, neue Gelegenheitsfenster der Veränderung und des Widerstands zu öffnen. Was also tun in konterrevolutionären Zeiten? Vor allem eines: Nicht in Passivität verfallen.

Ein guter Ratschlag kann es sein, zunächst zu versuchen, die Misere zu verstehen, in der man sich befindet. Viele Gelegenheiten dafür gibt es bei den kommenden zwei kritischen Einführungswochen an den Berliner Unis (Hier geht's zum Programm an der FU, an der HU, an der TU und der Alice-Salomon-Hochschule). Am Donnerstag (12. 10., Café Galile@, Otto-von-Simson-Straße 26, 12 Uhr) spricht etwa der Berlin Busters Social Club über die politische Strategie des Adbustings. Am Freitag (13. 11., Hedwig-Dohm-Haus, 16 Uhr) informiert die Initiative Ihr Seid Keine Sicherheit über das Thema Abolitionismus und Polizeikritik.

Patriarchale Gewalt bekämpfen

Was ebenfalls hilft, der eigenen Ohnmacht zu begegnen: Das Bewusstsein, dass diesen Kampf viele Menschen weltweit teilen. Über 500 Jahre nach der „Entdeckung“ der Amerikas durch Kolumbus am 12. Oktober 1492 sagen uns die Zapatistas: “Wir werden nicht aufgeben. Unsere Körper und unsere Territorien sind weder gestern noch heute Gebiete der Eroberung.“ Während in vielen Ländern der 12. Oktober weiterhin gefeiert wird, hat der Nationale Indigene Kongresses von Mexiko (CNI) den Tag zu einem Aktionstag gegen Neokolonialismus erklärt. Unter dem Motto „Es gibt nichts zu feiern!“ soll es dezentrale Aktionen und eine Demo geben (Donnerstag, 12. 10., Auswärtiges Amt, 16 Uhr).

Solidarität, das ist auch eine Praxis, die in der eigenen Nachbarschaft beginnt. Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ ruft zum Widerstand gegen die Räumung eines 69-jährigen Mannes auf, der im Aufruf Reinhard genannt wird. Er lebe seit 1979 in seiner Wohnung, die nun in Eigentum umgewandelt und dann verscherbelt werden soll, heißt es da. Zum Glück haben Berliner Mie­te­r:in­nen einiges an Erfahrung, wie mit Zwangsräumungen umzugehen ist. Ab 9 Uhr – eine Stunde vor der angesetzten Räumung – findet am Freitag (13. 10.) in der Manteuffelstr. 63 eine Kundgebung statt.

Doch wie soll der Kampf für eine bessere Welt gelingen, wenn Menschen – vor allem Flinta* – selbst die linken Rückzugsorten nicht vor sexueller und patriarchaler Gewalt sicher sind? Den Tätern in der linken Szene wollen Menschen vor allem aus dem Umfeld des Ask_Gerda Kollektivs eine solidarische Praxis entgegensetzen und veranstalten deshalb den zweitägigen Antisexistischen Kongress für Supportarbeit bei patriarchaler Gewalt. Das Ziel: Sensibilisierung, wie Betroffene in linken Strukturen unterstützt werden können. (Samstag und Sonntag, 14. und 15. 10., ab 10 Uhr, Schule für Erwachsenenbildung, Gneisenauerstraße 2a)

Solidarität ist auch ein kaltes Getränk

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Am Samstag (14. 10., 14 Uhr, S+U Bahnhof Pankow) ruft die Antifa-Jugendgruppe La Rage – Berlin Ost unter dem Motto „Kein Kiez für Nazis! Rechte Gewalt stoppen! Weg mit dem Dritten Weg!“ zu einer Demo in Pankow auf, um sich den Neonazis des 3. Wegs dort in den Weg zu stellen. Aus dem Umfeld der Neonazis sei zuletzt der Christopher Street Day attackiert und mehrfach Jugendliche eingeschüchtert und angegriffen worden. Zudem würde der 3. Weg versuchen, sich in den Sportvereinen, Kneipen und Schulen des Bezirks zu verankern. Dem gilt es sich entgegenzustellen!

Füreinander da zu sein, das bedeutet aber auch schlicht, sich aufzufangen, wenn ei­ne:r in der Klemme steckt. Am Samstagabend (14. 10., 19 Uhr) darf sich im Zielona Góra (Grünberger Straße 73) mit Soli-Cocktails betrunken werden, um einer Genossin aus der Patsche zu helfen, die sich leider beim Sprayern erwischen lies. Es soll auch was für den Magen und eine Tombula mit Preisen für den alltäglichen antifaschistischen Gebrauch geben. In diesem Sinne gilt: „Solidarität ist eine Waffe oder auch mal ein kaltes Getränk! „

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