Bezahlkarten für Geflüchtete: Hannover macht es besser als Bayern

Was den einen zur Abschreckung dienen soll, soll woanders dazu beitragen, den Alltag von Geflüchteten zu erleichtern. Warum Hannover ein Vorbild ist.

Eine geöffnete Geldbörse mit Scheinen

Bargeld: für Geflüchtete ein Auslaufmodell? Foto: Monika Skolimowska/picture alliance/dpa

OSNABRÜCK taz | Nur Bares ist Wahres, ist so eine Redensart. Ob das genauso sieht, wer übers Asylbewerberleistungsgesetz Taschengeld bekommt, Geld zur Deckung seines „notwendigen persönlichen Bedarfs“? Fraglich. Bar-Auszahlungen, flächendeckend üblich, erfordern Abhol­termine. Geld, das man mit sich herumträgt, kann verloren gehen. 182 Euro bekommt ein alleinstehender Erwachsener pro Monat.

Bayern liebäugelt schon lange mit „Bezahlkarten“. Klingt fürsorglich, nach einem Ende der Vorsintflutlichkeit. Doch wer den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Aufnahmegesetzes von Mitte 2021 liest, weiß, um was es bei den „unbaren Abrechnungen“ wirklich geht: „Schlepperkriminalität zu unterbinden und Pull-Effekte zu verhindern“. Bargeld lockt? Die Bezahlkarte soll abschrecken.

Auch Hamburg will eine Alternative zum Baren schaffen, als guthabenbasierte Kredit-Debitkarte, virtuell wie aus Plastik. Aber die Nutzung könnte eingeschränkt sein; mancher Branche, Glücksspielanbietern etwa, könnte eine Blockade drohen. Das wäre eine Bevormundung und damit eine Diskriminierung.

„Wenn diese Karte Türen öffnet, am elektronischen Zahlungsverkehr teilzunehmen, ist das natürlich gut“, sagt Muzaffer Öztürkyilmaz, Referent der Geschäftsführung des Flüchtlingsrats Niedersachsen, Hannover, der taz, „zumal bargeldloses Bezahlen ohnehin ja immer mehr zunimmt. Wir sind nicht gegen moderne Technik. Wenn das Wartezeiten verkürzt und den Verwaltungsaufwand mindert, ist das positiv.“

Die Karte müsse aber so einsetzbar sein wie alle anderen Debit- bzw. EC-Karten auch, „in jeglichen Geschäften, für jegliche Dienstleistungen und auch für Bargeldabhebungen, schließlich haben die Sozialbehörden keinen Erziehungsauftrag“. Sie könne zudem nur eine Übergangslösung sein. Es gelte, allen Geflüchteten ein Bankkonto zu verschaffen, für eine „gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe“.

Diskriminierungsfreier Zugang

Dass es auch liberaler geht, zeigt die Stadt Hannover mit ihrer „Socialcard“. Die Landeshauptstadt wolle einen „diskriminierungsfreien Zugang zur bargeldlosen Zahlung“ schaffen, „mit einer neutral gestalteten Karte“, versichert Christina Merzbach der taz, Sprecherin des Büros des Oberbürgermeisters Belit Onay (Grüne). Bisher müssen jeden Monat in Hannover Verpflichtungsscheine abgeholt werden, zur Auszahlung durch die Sparkasse.

Ein „Ausschluss von Bereichen“ sei für die Socialcard „nicht beabsichtigt“, sagt Merzbach; das gehöre nicht zu Hannovers Zielen. Sie sagt allerdings auch: „Weitere Details zur Funktions- und Einsatzweise sind Gegenstand der derzeitigen Abstimmung.“ Eine Wundertüte also. Niemand weiß derzeit, was am Ende wirklich drin ist, wie groß die Dispositionsfreiheit ausfällt.

Warum man nicht einfach allen Betroffenen ein ganz normales Bankkonto einrichten kann? „Das Recht, ein Konto einrichten zu können, ist vom ausländerrechtlichen Status abhängig“, sagt Merzbach. „Der Status verändert sich meist während des Aufenthalts.“

Ein Tracking, was wo bezahlt wird, könne „nur, soweit zulässig, innerhalb der banken- und datenschutzrechtlichen Regelungen“, erfolgen, wie bei allen anderen Konto- oder KarteninhaberInnen auch, sagt Merzbach. Die Stadt habe keine Berechtigung, die Umsätze einzusehen. Vielleicht wird die Socialcard aus Hannover ja wirklich ein gutes Vorbild.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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