Bidens Reise nach Nahost: Eine fast unmögliche Mission

Auf seiner Reise in den Nahen Osten will US-Präsident Joe Biden nicht weniger als Katastrophen verhindern. Ein Misserfolg wäre auch für sein Standing zuhause fatal.

Präsident Joe Biden setzt sich eine Sonnenbrille auf.

US-Präsident Joe Biden steht vor einer schwierigen Reise Foto: Evan Vucci/ap

Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass US-Präsident Joe Biden in ein angegriffenes Partnerland reist. Aber außer der Solidaritätsgeste an sich hat Bidens Besuch in Israel an diesem Mittwoch wenig gemein mit seiner Reise in die ukrainische Hauptstadt Kyjiw im Februar. Denn bei dem Treffen mit der israelischen Führung geht es nicht hauptsächlich darum, den durch das Hamas-Massaker vom 7. Oktober traumatisierten Israelis Mut zuzusprechen und ihnen Unterstützung zuzusichern.

Biden versucht, mit der ganzen Autorität des Weißen Hauses dem Nachdruck zu verleihen, woran sein Außenminister Antony Blinken jetzt schon rund eine Woche trotz diplomatischen Reisemarathons zu scheitern droht: die Ausreise internationaler Staats­bür­ge­r*in­nen aus dem Gazastreifen organisieren, humanitäre Hilfe und größtmöglichen Schutz für die palästinensische Zivilbevölkerung garantieren und einen aktiven Eintritt der Hisbollah und Irans in den Krieg gegen Israel verhindern.

Zu dieser Aufgabe gehört auch, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu davon zu überzeugen, dass eine Bodenoffensive im Gazastreifen auch für die israelische Armee große Risiken birgt – und dass Bilder von massenhaft getöteten Palästinensern Israel nur schaden. Und das muss er einem israelischen Regierungschef beibringen, mit dem er persönlich und politisch vollkommen über Kreuz liegt und den er bis vor wenigen Wochen nicht einmal treffen wollte.

Obendrein darf Biden dabei nicht den Eindruck erwecken, als spreche er Israel das Recht auf Selbstverteidigung ab. Das sind eine Menge Herausforderungen. Biden kann dabei viel verlieren und wenig gewinnen. Dass er es dennoch wagt, liegt im Eigeninteresse der US-Regierung: Die war eigentlich bei dem Versuch, sich aus dem Nahen und Mittleren Osten weitgehend zurückzuziehen.

Mit den von Trump begonnenen und von Biden fortgeführten Abraham-Abkommen zwischen Israel und arabischen Staaten sollte auch die Sprengkraft aus dem Konflikt mit den Palästinensern genommen werden. Das klappt so jetzt kaum mehr – Biden versucht zu retten, was noch zu retten ist – nicht zuletzt aus der Sorge um US-Einrichtungen in der gesamten Region, die erneut zur Zielscheibe werden könnten. Mittel- und langfristig hat allerdings die Regierung Joe Bidens keinen Plan.

Zu Trumps Bereitschaft, einer israelischen Annexion des gesamten Westjordanlandes zuzustimmen, hat Biden bislang noch keine Alternative verkündet Sein Beharren auf der Zweistaatenlösung war nie begleitet von einer konsequenten Ansage an Israels Regierung, die militante Siedlungspolitik einzustellen. Und nach dem Angriff der Hamas kann Biden kaum noch eine solche Ansage machen. Das würde ihm in den USA selbst um die Ohren fliegen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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