Blackfacing im Bremer Theater: Mit rassistischer Schminke

Das Theater Bremen sorgt mit seiner Aufführung der Oper „The Rake’s Progress“ für einen Blackfacing-Skandal, den der Intendant nicht erkennen mag.

Schwarz angemalt, aber nicht so gemeint, ensteigt Nick Shadow dem Untergrund Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

BREMEN taz | Blackfacing, also sich das Gesicht schwarz anzumalen, ist meistens vermeidbar. Auch ist es, unreflektiert, stets skandalös – weil es auf die eigentlich überwunden geglaubte rassistische Kulturpraxis Bezug nimmt, sich mit geschwärztem Gesicht über schwarze Menschen lustig zu machen. Trotzdem passiert’s immer wieder, so wie am Sonntag in der Bremer Oper. Oder, wie Generalintendant Michael Börgerding sagt: „Das ist uns nicht passiert.“ Es sei vielmehr mit allen Beteiligten, „insbesondere natürlich mit dem Sänger selbst“, besprochen und für unproblematisch befunden worden.

Dass in der von Michael Talke inszenierten neoklassizistischen Oper „The Rake’s Progress“ von Igor Strawinsky bei der Premiere am Sonntag der sonst eher blasshäutige Christoph Heinrich komplett schwarz gekleidet und im Gesicht geschminkt ist, sei nämlich „gerade kein Blackfacing“. Der Bassbariton, musikalisch an jenem Abend in Höchstform, spielt Nick Shadow, also eine Figur, die Schatten des Protagonisten und Teufel zugleich ist. Und das sei eben „nicht die Darstellung eines schwarzen Menschen“, so Börgerding. Nur dann aber könne von Blackfacing die Rede sein.

Eklat bei der Premierenfeier

Beim Premierenabend hatten das mehrere Besucher*innen anders gesehen. Zum Eklat kam es, als Börgerding bei der Premierenfeier in seiner Ansprache in Vorwegverteidigung die ihm zugetragene Kritik rüde abwatschte: Es sei kränkend und anmaßend, wenn man dem Theater unterstelle, sich nichts dabei gedacht zu haben. Und es sei ja keine Darstellung eines schwarzen Menschen. „Deshalb hab ich dann meinen Missmut und Kritik reingerufen“, erklärte die Bürgerschaftsabgeordnete und Kulturdeputierte Kai Wargalla (Grüne), später via Facebook. „Ging nicht anders. Warum sagt denn niemand was zu diesen Pseudo-Rechtfertigungen?!“

Als sie unter Protest die Veranstaltung verließ, und mit ihr der Musiktheaterbeauftragte im Vorstand des Theaterfreunde-Vereins, habe Börgerding das noch hämisch kommentiert, unter dem Applaus der Premierengäste. „Das habe ich nicht“, sagte Börgerding zur taz, „und ich bedauere, dass sie das so wahrgenommen hat.“ Dafür werde er sich entschuldigen. Fragen müsse man sich aber doch, warum sich nur nicht-schwarze Menschen wegen der Schminke bei ihm beklagt hätten. „Dürfen die das?“, so Börgerding zur taz. „Wer repräsentiert hier wen?“

„The Rakes Progress“, Uraufführung 1951 in Venedig, ist Igor Strawinskys einzige abendfüllende Oper. Die Musik ist neoklassizistisch, zitatsatt und, in Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg, entschieden anti-romantisch.

Die Oper basiert auf der gleichnamigen Kupferstichserie, mit der William Hogarth die Geschichte Tom Rakewells erzählt, der durch Geld – und im Libretto durch den teuflischen Nick Shadow – zum Lotterleben verführt und in der Folge wahnsinnig wird. Dramatisiert und in barockisierende Verse gebracht hatten das Dichterfürst W. H. Auden und Librettoknecht Chester Kallman.

Die Bremer Produktion krankt an der schlechten Aussprache der Sänger. Die Regie setzt auf karikaturhafte Ausstattung und ironische Reprisen von illusionstheatralen Verblüffungseffekten mit Licht und Rauch. Ohne Nick Shadow schwarz zu machen, „hätte man nicht diese Effekte“, gibt Intendant Börgerding zu bedenken.

Naja, auch wenn Paternalismus droht, kann es nötig sein, sich für die Interessen von Minderheiten einzusetzen: Bis auf die Garderobiere hat auch die taz keine People of Color in der Premiere getroffen. Aber der Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen Tahir Della bestätigt Wargallas Einschätzung: „Dieses Stilmittel, jemanden schwarz zu schminken, ist sehr belastet“, sagte er der taz.

Schwarz ist der Teufel sicherlich

Und während Intendant Börgerding die Schwärzung seines Darstellers durch ihre Zeichenhaftigkeit für legitimiert hält, ist es aus Dellas Sicht gerade der semiotische Charakter der Schminke, die zwangsläufig rekontextualisiert: „Es geht um den Marker und die Bedeutungen die durch dieses Stilmittel transportiert werden“ – weniger darum, ob die Rolle einen schwarzen Menschen konkret karikiert.

Gerade das Diabolische schwarz zu machen – „ich meine, warum überhaupt? Den Teufel stelle ich mir als alles mögliche vor, aber warum denn schwarz?“ – sei selbstverständlich besonders problematisch: „Diese Gleichung, schwarz gleich schlecht, das wirkt verletzend. Und diese Wirkung für schwarze Menschen ist eindeutig.“ Darin aber liege das Problem: „Es geht um die Wirkung.“ Und gerade weil in den allermeisten Fällen „keine rassistische Haltung dahinter“ stehe, sei einigermaßen verstörend, wie brachial die Praxis verteidigt werde.

Überraschend, dass das Theater Bremen so unbedarft in die Rassismus-Falle tappt. Es war Börgerding, der dem mobilen Mahnmal für den 2005 im Polizeigewahrsam infolge eines Brechmitteleinsatzes gestorbenen Laye Alama Condé Asyl gegeben hat: Die Installation erinnert an den Toten und die übrigen, fast ausnahmslos schwarzen Opfer dieser Praxis. Börgerding hatte zudem die radikal Kolonialismus-kritische Performance-Gruppe Gintersdorfer/Klaßen für Jahre ans Haus gebunden. Und gemeinsam mit der Steptext Dance Company richtet man aktuell das Afric­tions-Festival mit zeitgenössischer Tanzkunst aus dem europäisch-afrikanischen Spannungsfeld aus.

Damit scheidet wenigstens die böseste Lesart des Skandals aus: Dass man es damit – und mit der Darstellung einer Türkin als komplett behaarte Dreivierteläffin – darauf angelegt hätte, der einfallsarmen brav musizierten Produktion wenigstens zu etwas Aufmerksamkeit zu verhelfen.

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