Bündnis fordert Pflegevollversicherung: Gegen die Eigenbeteiligung

Pflegebedürftige zahlen für stationäre Pflege immer mehr Eigenbeteiligung. Viele können das nicht leisten. Ein breites Bündnis fordert eine Reform.

Eine Pflegekraft führt bei einer Seniorin eine Blutdruckmessung durch.

Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN taz | Wer im Alter oder wegen Krankheit auf stationäre Pflege angewiesen ist, braucht Geld: Im ersten Jahr Aufenthalt in einem Pflegeheim, müssen Pflegebedürftige im Schnitt monatlich 2.700 Euro Eigenbeteiligung aufbringen. Und die Zuzahlung steigt – im letzten Jahr bundesweit um durchschnittlich 348 Euro monatlich. Ein Bündnis von Sozial-, Wohlfahrts- und Pflegeverbänden sowie Gewerkschaften fordert deswegen eine Pflegevollversicherung ohne Eigenbeteiligung.

Eine vom Bündnis beauftragte Forsa-Umfrage zeigt, dass je­de*r Fünfte die Eigenbeteiligung unterschätzt und nur 14 Prozent der Befragten davon ausgeht, die Summe bezahlen zu können. Eine deutliche Mehrheit von 81 Prozent ist für die Pflegevollversicherung. Bei der Vorstellung der Umfrage am Donnerstag, sagte Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Gesamtverbands, eine große Pflegereform sei dringend notwendig: „Wenn jetzt nichts passiert, dann stehen wir vor dem Systemkollaps“.

Vor allem die FDP würde eine solidarische Reform jedoch verhindern, setze stattdessen auf private Absicherung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) blockiere die Umsetzung einer Abmachung aus dem Koalitionsvertrag zur Entlastung der Pflegeversicherung. Der Bundestag hatte im Juni bereits eine Pflegereform beschlossen. Diese gehe aber nicht weit genug und sei mit zu wenig Geld ausgestattet, so Schneider.

Die steigende Eigenbeteiligung können immer mehr Heim­be­woh­ne­r*in­nen nicht stemmen, inzwischen empfängt gut ein Drittel Sozial­hilfe. Manfred Stegger, Vorstand vom Pflegeschutzbund und Bündnispartner, forderte, Menschen sollten darauf vertrauen können, dass eine solidarische Pflegeversicherung das Pflegerisi­ko auch abdecke: „Sozialhilfe ist kein würdiger Ersatz für Ansprüche aus eigenen Beitragszahlungen.“

Bündnis hält Vollversicherung für finanzierbar

Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand sagte, Beschäftigte und Pflegebedürftige würden gegeneinander ausgespielt, etwa wenn jede Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Steigerung von Löhnen für Pflegekräfte sich automatisch in höheren Kosten für die Pflegebedürftigen niederschlage. Diese Logik gelte es zu durchbrechen, deswegen unterstütze die Gewerkschaft die Forderung nach einer Pflegevollversicherung.

Die Bünd­nis­part­ne­r*in­nen geben an, die Vollversicherung sei finanzierbar, wenn die Trennung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung aufgehoben werde. Außerdem fordern sie, dass die Beitragsbemessungsgrenze angehoben wird. Diese liegt derzeit bei einem monatlichen Einkommen von knapp 5.000 Euro brutto. Für die Berechnung der Beiträge sollten laut Bündnis auch Kapitalerträge miteinbezogen werden. Das Bündnis geht davon aus, dass für die Vollversicherung mit diesen Maßnahmen eine durchschnittliche monatliche Beitragserhöhung von 5 Euro für Bei­trags­zah­le­r*in­nen übrig bliebe.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva-Maria Welskop-Deffaa, kritisierte die Forderungen des Bündnisses. Sie warnte vor Überfrachtung der Pflegeversicherung. Diese brauche zwar mehr Mittel, sei aber kein „Erbenschutzprogramm“. Wer alt und krank sei, dürfe sein Vermögen aufzehren, gute Pflege gebe es nicht zum Nulltarif.

Ates Gürpınar, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, begrüßte dagegen die Forderung der Bündnispartner: „Die Pflegekosten sind mittlerweile für einen Großteil der Bevölkerung unbezahlbar. Pflege macht arm. Das darf so nicht bleiben.“

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