Bundeskanzler reist durch Nahost: Scholz und al-Sisi beraten zu Gaza

Bundeskanzler Scholz ist in Ägypten angekommen. Der ungeklärte Raketenangriff auf ein Krankenhaus in Gaza erschwert das Treffen mit Präsident al-Sisi.

Ägyptens Präsident Al-Sis will Kanzler Olaf Scholz die Hand reichen

Olaf Scholz mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi bei seinem Besuch in Ägypten Foto: Michael Kappeler/dpa

KAIRO taz | Die Rakete, die Dienstagabend die Al-Ahli-Klinik in Gaza getroffen hat, verkompliziert die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz im Nahen Osten weiter. Wer sie abgefeuert hat, ist weiter unklar. Fest steht: Der Angriff auf das Krankenhaus mit hunderten Toten wirkt wie ein politischer Brandbeschleuniger. Scholz' Besuch bei Ägyptens Machthaber Abdel Fatah al-Sisi am Mittwoch ist ohnehin alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Artig bedankt sich Scholz auch dafür, dass der so kurzfristig Zeit für ihn gehabt habe. Das seien sehr ernste Zeiten.

Im prunkvollen Präsidentenpalast sprachen beide am Mittwoch fast zwei Stunden miteinander. Die Themen des Gesprächs: Wie kann humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza organisiert und wie eine weitere Eskalation der Gewalt verhindert werden. Und natürlich ging es auch um die neueste Entwicklung, den Beschuss des Krankenhauses.

Beim gemeinsamen Statement drückt al-Sisi zunächst sein Bedauern über den Angriff auf das Krankenhaus in Gaza aus, vermied es jedoch, Schuldige zu benennen. Man verurteile jede Operation gegen Zivilisten, so al-Sisi. Dass er es vermied, sich so klar auf eine Seite zu stellen, stärkt Ägyptens Rolle als möglicher Vermittler.

Einig ist er sich offenbar mit Scholz, dass es gelte, einen Flächenbrand zu vermeiden. Diese Gemeinsamkeit stellte Scholz nach dem Gespräch heraus – wobei das Zeitfenster kleiner wird. „Die Lage wird immer schlechter“, so al-Sisi. „Die Konfrontation und Eskalation in Gaza hat Opfer auf beiden Seiten gefordert und Auswirkungen, die wir nicht mehr kontrollieren können.“

Warnungen vor Kontrollverlust

Indirekt gab al-Sisi Israel eine Mitschuld an dem Desaster. Die palästinensische Frage sei seit 20 Jahren nicht gelöst. Al-Sisi machte klar: Wenn sich die Lage in der Region beruhigen soll, dann muss die palästinensische Frage ganz nach vorn. „Das Problem Palästina ist das Problem der gesamten Region. Die Palästinenser sollten das Recht haben, einen unabhängigen Staat zu gründen.“

Doch zuvorderst muss geklärt werden, wie es weitergeht in Gaza. Sehr wortreich machte al-Sisi klar, was er nicht will: einen Massenexodus palästinensischer Flüchtlinge aus Gaza nach Ägypten. Al-Sisi fürchtet, dass der Terror dann mitauswandert, dass die Hamas Ägypten zur Basis von Angriffen auf Israel macht, gegen die sich Israel mit Beschuss auf ägyptisches Territorium natürlich wehren würde. „Dann verlieren wir jede Möglichkeit für Frieden.“ Scholz habe dafür Verständnis gezeigt; der widersprach nicht.

Der Kanzler bekräftigte erneut, dass die Hamas für die gegenwärtigen Gewaltausbrüche verantwortlich sei und dass Israel „jedes Recht hat, sich zu wehren und seine Bürger zu schützen“. Man sei sich aber auch einig, dass es jetzt einen humanitären Zugang nach Gaza brauche. Das ist in beider Interesse – auch weil Ägypten verhindern will, dass verzweifelte, von Wasser, Strom, Nahrung und Medikamenten abgeschnittene Menschen versuchen, die Grenze zu überwinden.

Al-Sisi sagte, man sei bereit den Grenzübergang zu öffnen, sofern Israel ihn nicht attackiere. Scholz zeigte sich zum Abschluss seines Besuchs und nach Gesprächen mit allen Seiten optimistisch, dass die Hilflieferungen bald anlaufen könnten. „Da bewegt sich gerade etwas, ich bin zuversichtlich, dass das jetzt vorankommt.“

Al-Sisi ist ein schwieriger Partner, regiert diktatorisch, aber Scholz umwarb den Ägypter mit werbenden Worten: Al-Sisi habe in den vergangenen Jahren eine wertvolle Rolle als Vermittler eingenommen, dafür gebühre ihm Respekt und Achtung. Ägypten ist als Vermittler gefragt, auch wenn es um die gut 200 Geiseln in den Händen der Hamas geht, darunter wohl ein gutes Dutzend Deutsche. Scholz hatte sich am Dienstagabend mit den Angehörigen der deutschen Geiseln getroffen. Er habe alle Gespräche als Kanäle genutzt, um die bedingungslose Freilassung der Geiseln zu fordern, so Scholz.

Der Kanzler nutzte die Kairoer Kulisse auch, um die antiisraelischen Demonstrationen und die Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Berlin zu verurteilen. „Das empört mich persönlich.“ Er sei überzeugt, dass er sich da einig sei mit den Bürgern in Deutschland „Wir werden nicht hinnehmen, wenn gegen jüdische Anschläge verübt werden.“ Man werde auch Demonstrationen mit antisemitischen Parolen nicht akzeptieren. Die Versammlungsbehörden und die Polizei müssten dagegen verstärkt vorgehen.

Aktualisiert am 18.10.2023 um 12:10 Uhr. d. R.

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