Cadillacs am Rathenauplatz: Weiterhin geschätzt und gepflegt

Wolf Vostells Skulptur „Zwei Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja“ am Ende des Ku’damms wurde renoviert. Jetzt erstrahlt es wieder wie neu.

Luxusschlitten in Beton, die Skulptur von Wolf Vostell (Ausschnitt) Foto: ©The Wolf Vostell Estate

Eine Erhebung, die Anfang der Woche zum Auftakt der Internationalen Automobilausstellung in München viel zitiert wurde, besagt, dass so viele junge Menschen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren wie noch nie ein Auto angemeldet haben. Von wegen Klimakleber. Was nichts daran ändert, dass der Autoverkehr uns die Luft zum Atmen raubt und das Klima weiter aufheizt. Natürlich auch das politische. Das war schon 1987 so, als Wolf Vostell (1932–1998) im Rahmen des Skulpturenboulevards zur 750-Jahr-Feier Berlins am Ende des Ku’damms, am Rathenauplatz, „Zwei Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja“ aufstellte – fortan kritischer Mittelpunkt eines „24-stündigen Tanzes der Autofahrer ums Goldene Kalb“.

Obwohl nichts klebte und den Verkehr aufhielt: der gemeine Berliner drehte durch. Der Platz am Eingang zum Grunewald war seiner Meinung nach verschandelt, klar. Aber darüber hinaus geriet das Ansehen Berlins in Verruf. Unbekannte stellten als Gegenskulptur einen einbetonierten Trabi neben die Cadillacs. Leider war der zwei Jahre später, als 1989 die Mauer fiel, schon wieder weg. Die Ostberliner hätten was gestaunt! Tatsächlich empörten sich Berliner, dass es sich bei den sechs Meter und 20 Zentimeter langen Luxusschlitten (Baujahr 1978) nicht einmal um „deutsche Autos“ handelte! Vostell hatte sie so einbetoniert, dass man einmal die Längsseite des einen Autos und sonst die Motorhaube beziehungsweise das Heck des anderen sieht.

Den Autoverkehr hat Vostells nackte Maja seither nicht weiter gestört, während umgekehrt der Autofahrer-Tanz ums Goldene Kalb dieses unweigerlich zerstört. Bereits zwei Mal, 2006 und 2013, wurde die Skulptur gereinigt und repariert. Und letztes Jahr – der Künstler hätte am 14. Oktober seinen 90. Geburtstag gefeiert – startete die Familie, unterstützt von Oliver Schruofeneger, Stadtrat der Grünen für Stadtentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf, eine erneute Sanierung von Grund auf, die jetzt abgeschlossen und mit einem Empfang im Kunsthaus Dahlem gefeiert wurde.

Hier hatte der in Leverkusen geborene Künstler sein Atelier, als er 1971 nach Jahren in Paris und Köln nach Berlin kam. Ursprünglich war es das von Arno Breker, was Vostell sehr bewusst war. Denn wie nur wenige andere Künstler setzte er sich schon früh in seinen Arbeiten mit dem Zivilisationsbruch des Hitler-Regimes und dem Holocaust auseinander. Der Mitbegründer der Fluxusbewegung 1962, der 1958 in Paris mit „Das Theater ist auf der Straße“ das erste Happening auf europäischem Boden inszenierte und neben Nam June Paik einer der Pioniere der Medienkunst war, thematisierte dies auch in seinem Auftreten. Der konfessionslose Künstler kleidete sich jüdisch mit Schläfenlocken, Kaftan und üppigem Ringschmuck reicher jüdischer Kaufleute.

Foto: ©The Wolf Vostell Estate

Das jetzt neu renovierte Kunstwerk konnte dank des von Wolf Vostell vorbildlich organisierten Archivs in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, wie sein Sohn Rafael Vostell berichtete. Sein Vater hatte dort alle Informationen über die Skulptur so detailliert zusammengetragen, dass die Betonsanierer von SB5ÜNF sofort wussten, was zu tun war. Das eingerüstete Kunstwerk war während der Sanierung hinter Werbeplakaten verschwunden, die die von der Familie Vostell alleine bezahlte Sanierung mitfinanzierten. Die Situation 1987 ist heute im Kunsthaus Dahlem anhand einer kleinen Ausstellung alter Fotografien nachzuvollziehen.

Wie Rafael Vostell berichtete, befindet sich im einbetonierten Kofferraum eines Cadillacs ein Metallkoffer mit allen Briefen, auch Morddrohungen, die Wolf Vostell damals erreichten. Wenn das Kunstwerk Bestand hat, so hat er verfügt, kann der Koffer in 99 Jahren geöffnet und der Inhalt öffentlich gemacht werden. Wird die Skulptur jedoch abgebaut, kann er sofort geöffnet werden. Was den schönen Effekt hat, dass die größten Hetzer das größte Interesse daran haben müssen, dass das Kunstwerk gerade nicht zerstört, sondern geschätzt und gepflegt wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.