Campus-Grün-Mitglied über Auflösung: „Wir wollen ein Signal setzen“

Die Hamburger Hochschulgruppe Campus Grün löst sich auf. Weil sie keinen Sinn mehr in Hochschulpolitik erkennt, wie Mitglied Felix Steins erklärt.

Menschen stehen mit Abstand zueinander vor dem Hamburger Rathaus. Auf einem Transparent steht: "Solidarsemester jetzt"

Politisches Interesse bleibt kurzfristig: Wenige kamen zur Kundgebung während der Corona-Pandemie Foto: Campus Grün

taz: Herr Steins, warum löst sich Campus Grün Hamburg auf?

Felix Steins: Weil die Form institutionalisierter Hochschulpolitik, wie auch wir sie machten, an den Studierenden vorbeigeht. Es ist ein Politikspektakel, das inhaltliche Auseinandersetzung vorgibt, in dem es sich aber eigentlich darum dreht, Ämter zu vergeben und die Macht einzelner Gruppen zu erhalten. Weniger geht es dabei um bewegungsorientierte Politik mit den Studierenden.

Darum lösen Sie gleich die ganze Hochschulgruppe auf?

Damit wollen wir ein Signal setzen. Man kann Organisationsdebatten führen und zu dem Schluss kommen, es ist sinnvoller, Politik auf anderen Ebenen zu betreiben als in Hochschulgremien. Wir haben gelernt, dass das für uns keine Zukunft hat. Indem wir es öffentlich machen, geben wir auch anderen die Chance, dies zu reflektieren.

Also raten Sie ab, morgen eine neue grüne Hochschulgruppe zu gründen?

Ja. Die Einreichungsfristen für die aktuellen studentischen Wahlen sind gerade sowieso abgelaufen. Wir wollten, dass unser Bruch auch auf dem Wahlzettel sichtbar wird, um auf die Probleme hinzuweisen.

Ihre Gruppe Campus Grün stellte zuletzt 2018 den Asta. Wie lief das so?

Es gibt ja zwei Bereiche. Die Beratungsarbeit für Studierende und die direkte politische Arbeit. Wir merkten damals schon, dass unsere stadtpolitischen Kampagnen wie die zur Verhinderung des G20-Gipfels nicht in der Lage waren, Studierende zu mobilisieren.

Zu abgehoben für Studierende?

29, studiert Sozialökonomie an der Uni-Hamburg und war seit 2016 Mitglied bei Campus Grün Hamburg.

Na ja, viele von uns waren damals neu in der Politik und kamen in Kontakt mit der Idee von Studierenden als „revolutionärem Subjekt“. Aber spätestens da wurde deutlich, dass das nicht real ist. Die Studierenden sind zwar politisch interessiert. Im Kapitalismus zu studieren, bedeutet für die Leute aber auch, die eigene Prekarität nur als vorübergehend zu betrachten, die Nähe zur Linken wird dadurch auch eher als vorübergehende Nähe zur Subkultur empfunden.

Studium ist nur Durchlaufsituation?

Ja. Studierende haben nicht das Interesse, sich langfristig um politische Fragen zu organisieren. Es gibt die kurzfristige Beteiligung mal an einer Demonstration oder ein Gespräch, um dann durch die Fluktuation schnell wieder zu verschwinden.

Sie schrieben zur Auflösung ein Papier. Die Gruppe SDS (Sozialistischer Demokratischer Studierendenverband) hat Sie beeindruckt? Warum?

Die hatten Strategien, um politische Prozesse zu führen und Machtverhältnisse einzuschätzen. Sodass man nicht idealistisch anhand irgendwelcher Forderungen Politik betreibt, sondern überprüft: Okay, was sind die Ansprechpartner, wie kann man einen Konflikt sinnvoll führen und welche Konflikte sind überhaupt wie sinnvoll? Das kannten wir aus der grünen Hochschulpolitik so nicht. Die lebten auch ein solidarisches Zusammenleben vor. Das war für viele von uns neu. Dass man sich zusammen den Kopf zerbricht über politische Fragen.

Dieser SDS bildete ja zusammen mit der Gruppe ‚Harte Zeiten‘ und ‚Liste links‘ das ‚Bündnis für Aufklärung und Emanzipation‘, kurz BAE.

Genau.

Und an deren Auftreten gab es harte Kritik. Teilten Sie die?

Wir kennen die selbstverständlich. Diese Kritik schwebte immer über der Hamburger Hochschulpolitik, weil diese Gruppe eine Hamburgensie ist, die fast seit der studentischen Protestbewegung aus den 1968ern existiert. Es gab immer schon Kritik-Papiere an denen. Aber die waren selten solidarisch. Da wurde Kritik geübt, um sich zu profilieren oder andere zu vernichten, aber nicht, um zu verstehen, warum eine Gruppe so handelt und was man daran ablehnt.

Aber Sie schreiben selbst, das Verhalten dieser Gruppen sei übergriffig?

Weil eine Gruppe sich als Avantgarde sah, als diejenige, die den Auftrag hat, andere mit ihrem Optimismus anzustecken, hatte das häufig die Form von Gesprächskampagnen, die für manche Personen übergriffig sein können.

Was ist eine ‚Gesprächskampagne‘?

Man wird in eine Diskussion hineingenötigt, die man vielleicht gar nicht führen wollte, die aber von der anderen Seite als Teil eines politischen Prozesses betrachtet wird, der notwendig sei.

Spielt bei den Schwierigkeiten eine Rolle, dass diese Akteure älter sind?

Keine wesentliche. Auch die jüngeren BAE-Aktiven verlieren nach kurzer Zeit den Bezug zur Lebensrealität der meisten Studierenden. Das ist nötig, um die Hoffnung auf ein studentisches „revolutionäres Subjekt“ erhalten zu können.

Sie schreiben, es gab 2017 im Studierendenparlament ein ‚Anti-BAE-Bündnis‘. Was wollten die?

Da hatten von der CDU-Hochschulgruppe bis zu den bewegungslinken ‚Unicorns‘ viele Gruppen ein Bündnis geschmiedet, um einen Asta zu bilden, dessen Gründungsmythos darin bestand, zu behaupten, man könnte die BAE-Hochschulaktiven aus der Hochschulpolitik verbannen.

Campus Grün machte da nicht mit?

Nein. Wir haben zwar auch eine Kritik an der Politik des BAE entwickelt. Aber man muss auch fragen, was ist denn besser an anderer Aktionspolitik? Dieses Anti-Bündnis hat das auf eine reaktionäre Weise verarbeitet. Es entstand ein Anti-BAE-Asta, der kaum konstruktive Ziele verfolgte.

Sie schreiben von einem ‚unappetitlichen Antikommunismus‘.

Ja. Es werden antikommunistische Klischees bedient und gesagt: Ja, das sind hier die Altlinken, die Leute manipulieren und an marxistischen Dogmen festhalten, die bösen Kommunisten.

Saßen Sie zwischen den Stühlen?

Ja. Wir konnten diese Widersprüche nicht auflösen. Beide Seiten definieren sich sehr stark durch die Abgrenzung voneinander. In so einer Situation werden ambivalente Positionen an den Rand gedrängt.

Standen Sie im Austausch mit der grünen Partei? Haben Sie sich mit denen beraten?

Campus Grün ist kein Organ der grünen Partei. Es gab aber immer Austausch und Kontakte. Und es ist auch kein Geheimnis, dass ehemalige Campus- Grüne heute für die Partei aktiv sind.

Ihnen war der Name ‚Campus Grün‘ auch peinlich?

Die Grünen in Hamburg verantworten als Regierungspartei eine Politik, die die Studierendenschaft als liberal bis konservativ erlebt. Da ist es als grüne Gruppe nicht einfach, linke Politik zu machen.

Sie schreiben gar vom eigenen ‚kommunistischen Begehren‘.

Campus Grün ist nicht als kommunistische Gruppe gestartet. Aber wir sind nach Jahren der Befassung mit verschiedenen linken politischen Philosophien überzeugt, dass die Grundidee die richtige ist. Das Ziel ist die befreite Gesellschaft, in der das Zusammenleben nach den Bedürfnissen, den Fähigkeiten der Menschen und aller Lebewesen organisiert ist. Politische Strategien dorthin müssen die fundamentalen Interessengegensätze ernst nehmen. Sich positiv auf „Kommunismus“ zu beziehen, heißt nicht, dass man an dogmatischen Positionen festhält und versucht, die Sowjetunion bis heute als Erfolgsgeschichte darzustellen, sondern sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen.

Arbeiten Sie als Gruppe weiter?

Ja, wir überlegen das.

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