Debatte über EU-Führerscheinregeln: Tempolimit für Fahranfänger, pardon?

In Brüssel sorgen drastische EU-Führerscheinregeln für Aufregung. Eine französische Grüne hat sie vorgeschlagen – jetzt wird gegen sie Stimmung gemacht.

Portrait Karima Delli

Hatte einen Vorschlag zur Verkehrssicherheit: Karima Delli Foto: Lafargue Raphael/ABACA/imago

BRÜSSEL taz | Erst die Privatjet-Affäre, nun der Führerschein-Hammer? In Brüssel sorgen Verkehrsthemen derzeit für großen Wirbel. Doch während es bei den Privatjets immerhin um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ging, dreht sich der Führerscheinstreit um eine bisher kaum bekannte Abgeordnete im Europaparlament.

Karima Delli heißt sie, als Mitglied der französischen Grünen leitet die 44-Jährige den Verkehrsausschuss. Dort hat sie einen Vorschlag der EU-Kommission für neue, EU-weite Führerscheinregeln genutzt, um kontroverse eigene Ideen zu propagieren. Und die sorgen nun für einen Proteststurm bis ins ferne Berlin.

So will Delli für alle Fahranfänger in PKW ein Tempolimit von 110 Kilometern pro Stunde einführen. Zudem möchte sie, dass Ärzte-Checks verpflichtend werden, um die „körperliche und geistige Tauglichkeit“ der Autofahrer zu gewährleisten. Selbst rüstige Rentner könnten damit Probleme bekommen.

Bayern und Hessen greifen die Führerscheindebatte auf

Wohlgemerkt, es handelt sich um Vorschläge einer Abgeordneten – und nicht „der EU“, wie es in der Boulevardpresse heißt. Selbst im Verkehrsausschuss haben Dellis Ideen einen schweren Stand. Doch es ist Wahlkampf, Hessen und Bayern dürfen bald wählen. Da wird jedes noch so kleine Thema zum Aufreger.

Vor allem wird Stimmung gegen die Grünen gemacht. „Die EU“ will, „die Grünen“ fordern – das eignet sich vortrefflich zur Profilierung. Sogar Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kann da nicht widerstehen: „Deutschland wird den Vorschlägen nicht zustimmen“. Um die Sicherheit von Fahranfängern zu verbessern, setze die Bundesregierung auf den Führerschein ab 17 Jahren und das begleitete Fahren. Die Einführung verpflichtender Gesundheitstests lehne sein Haus entschieden ab, betonte Wissing.

Damit hat er einige Stufen im Gesetzgebungsprozess übersprungen. Bisher geht es nämlich lediglich darum, dass das Europaparlament seine Position festlegt. Danach beginnen die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten – erst dann ist auch Deutschland gefragt. Frühestens im März dürfte es so weit sein. Doch wer achtet schon auf solche Details? Delli hat offenbar völlig vergessen, dass Deutschland das Land der Raser und Rechthaber ist. In ihrer Heimat Frankreich gibt es (wie fast überall in Europa) ein Tempolimit, in Deutschland führt allein schon der Gedanke daran zum Aufstand.

Mittlerweile ist der Streit derart eskaliert, dass sich auch die Grünen im Europaparlament gezwungen sehen, auf Distanz zu gehen. „Wir als deutsche Grüne haben von Anfang an aus deutscher Sicht starke Bedenken angemeldet“, sagte die deutsche Grünen-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg. Die geplante Führerschein-Richtlinie sei nicht das richtige Instrument, um Mängel bei Sicherheitsstandards und in der Klimapolitik zu beheben, so Deparnay-Grunenberg. Dass sich auch die deutschen Grünen mal für ein Tempolimit ausgesprochen haben, sagte sie nicht.

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