Debatte um geplante U-Bahn in Hamburg: Nicht auf derselben Schiene

Bei der Anhörung zur neuen U5 forderten Bürger die günstigere Straßenbahn. Der Verkehrssenator verspricht, weiter den Schienenverkehr zu fördern.

Menschen stehen an einem U-Bahn-Gleis

So soll der U-Bahnhof Hauptbahnhof-Nord aussehen, wenn dort auch die U5 hält Foto: Hochbahn Hamburg

HAMBURG taz | Die in Hamburg geplante neue Linie U5 wird der Stadt zu wenig helfen, ihre Klimaziele zu erfüllen. Zu diesem Fazit kam bei einer Anhörung im Rathaus über ein Dutzend Bürger, die sich mit teils aufwendigen Präsentationen zu Wort meldeten. „Die U5 wird nach Darstellung des Senats erst 2040 fertig sein. Das ist zu spät“, bringt die Linken-Politikerin Heike Sudmann, die die Anhörung initiiert hatte, die Kritik auf den Punkt.

Nur ein Redner lobte ausdrücklich die neue U-Bahnlinie, die vom Stadtteil Bramfeld in Hamburgs Nordosten über die Großsiedlung Steilshoop in einer großen Schlaufe um die Alster in der Stadtmitte herum wieder in den Norden zu den Sport-Arenen führen soll. Ein eigener Fahrweg unter der Erde ermögliche höhere Geschwindigkeit und schließe „Lücken in der Schnellbahnwüste Hamburg“, sagte Matthias Potthast von der „Fahrgastinitiative“. Doch auch er betonte, dies sei keine Ablehnung einer Straßenbahn, die alle übrigen Redner als die bessere Alternative für eine schnelle Verkehrswende sahen.

Dabei ging es zunächst um die Frage, wie klimafreundlich der U-Bahn-Bau in großer Tiefe unter der Erde sein kann, für den viel Beton benötigt und Erde bewegt wird. Eine Gruppe von Ingenieuren, die sich „Die drei Rentner“ nennt, hinterfragte entsprechende Ankündigungen von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), denn klimafreundlicher Zement und Beton werde erst weit nach Baubeginn ausreichend verfügbar sein.

Deutlich wurde auch Alexander Montana vom Verkehrsclub Deutschland. Für die Klimaziele sei die U5 „kaum relevant“, führte er in seiner Präsentation aus. Auch in den 1930ern werde deren Bau zunächst „mehr Emissionen verursachen, als er vermeidet“. Überhaupt reichten alle bisher von der Stadt angedachten Maßnahmen nicht aus, um bis 2030 die CO2-Emissionen im Verkehr um 50 Prozent zu senken und die Fahrgastzahl um 50 Prozent zu erhöhen.

Hamburg müsse den ganzen ÖPNV in den nächsten 20 Jahren „neu denken“, sagte der VCD-Experte. Dazu gehörten dezentrale Regionalbahnhöfe, ein sichtbares elektrisches Bussystem und „leistungsfähige Straßenbahnen“. Montana zeigte mehrere Karten, darunter eine mit sechs Metro-Linien, und das ungewohnte Bild einer Doppelstock-Straßenbahn, die Platz in den Straßen spare.

Streckensperrung ein Problem?

Die Strecke der Metrobahn, zum Beispiel von besagten Sport-Arenen zum Hauptbahnhof, könne schon Anfang der 2030er-Jahre fertig sein. Kosten würde das Netz von 100 Kilometern Straßenbahn-Linie mit Fahrzeugen etwa 2,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die geplante U5 wird 25 Kilometer lang und kostet laut Senatsangaben acht Milliarden Euro.

Und ihre Strecke fährt, obwohl sie unversorgte Gebiete abfahren soll, nach Einschätzung der Vortragenden am Bedarf vorbei. In der Großsiedllung Steilshoop etwa führen derzeit die meisten Bewohner mit Buslinien in diverse andere Richtungen, führte Bus-Experte Bernd-Dieter Schlange in seiner Präsentation aus, die ebenso wie die übrigen später im Protokoll des Verkehrsausschusses in der Parlamentsdatenbank abgebildet wird.

Im Rathaus nicht zur Sprache kam ein anderer Punkt. Während des U-Bahn-Baus selbst kommt es zu Streckensperrungen anderer U-Bahnen. Im Fall der U5 wäre die viel genutzten Linien U2 und U4 betroffen, mit der die Menschen aus Hamburgs Osten zum Hauptbahnhof-Nord fahren. Denn laut einer „Machbarkeitsuntersuchung“ zur U5 wäre dieser in den 1960ern gebaute U-Bahnhof mit vier Röhren in tiefer Lage heute so nicht mehr genehmigungsfähig, unter anderem weil die Bahnsteige zu schmal sind. Zwei der vier Röhren wurden nie genutzt. Dort soll die neue U5 anschließen.

Die Studie schlug deshalb Varianten vor, wie größere Bahnsteige und Platz für „Entrauchung“ und „Entfluchtung“ geschaffen wird. Unter anderem wären Queröffnungen zwischen den Röhren nötig. Bei allen Umbau-Varianten war aber eine „temporäre Unterbrechung“ der dort haltenden U2 und U4 nötig.

Empfohlen von den Gutachtern wurde eine Art Hallenverbindung zwischen den Röhren, was aber laut Hochbahn eine immense, vermutlich mehrere Jahre andauernde Sperrung der Linien U2 und U4 bedeutet hätte. „Die nun geplante Variante ist ein bedeutend ‚kleinerer Umbau‘ am Hauptbahnhof Nord“, sagt eine Hochbahn-Sprecherin der taz. Dadurch könne die Sperrung „deutlich kürzer gehalten werden“. Die Rede ist von Monaten. Möglich sei die kleine Variante, da inzwischen auch am Jungfernstieg eine U5-Haltestelle geplant wird. Ohne diese hätte man am Hauptbahnhof mit zu vielen Fahrgästen gerechnet.

Dieter Doege von „Pro Stadtbahn“ vermutet, dass die Sperrung doch Jahre dauert. Denn beließe man den Hauptbahnhof-Nord wie er ist, wäre er womöglich „nicht genehmigungsfähig, weil durch den Umbau der Bestandsschutz verloren geht“.

Doege gehört zu jenen Experten, die im Ausschluss die der U5 prognostizierten Fahrgastzahlen anzweifelten. Zusammen mit seinem Mitstreiter Jens Ode forderte er, schnell und zügig den Bau einer Straßenbahn. Andere Städte wie München zeigten, das sich Proteste von anliegenden Geschäften meist schnell legten, ist die Tram erst gebaut, so Ode.

Straßenbahn-Debatte an allem Schuld?

Auch Heike Sudmann forderte nach der Anhörung den Senat auf, sich endlich für die schnellere und erheblich günstigere Lösung einer Stadtbahn zu öffnen.

Der die ganze Zeit zuhörende Senator Tjarks hatte zu Beginn der Anhörung das Wort erbeten und seine Linie klar gemacht. Hamburg habe bis 1979 schon mal eine Straßenbahn gehabt. Seither werde über 40 Jahre lang über Straßenbahn gestritten. Dass die Stadt in dieser Zeit den Bau von S- und U-Bahn vernachlässigt habe, „das liegt auch an dieser Debatte“.

Tjarks appellierte – wohl in Anlehnung an Ex-Bürgermeister Olaf Scholz, der nie wieder aufhören wollte, Wohnungen zu bauen – an die Anwesenden, gemeinsamen zu sagen: „Wir hören nie wieder auf, schienengebundene Verkehrsprojekte in Hamburg voranzubringen“. „Schienengebunden“, konterte später ein Anwohner aus Steilshoop, „das bedeutet, die Straßenbahn miteinzubeziehen“.

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