Demonstrationen in Spanien: Aufstand von rechts

Am Sonntag haben 450.000 Menschen gegen das Amnestiegesetz protestiert. Sie werfen Ministerpräsident Sánchez vor, „Spanien zu zerstören“.

Demonstranten stehen vor einem Absperrgitter und rufen Slogans. Sie schwenken spanische Flagge oder tragen Flaggen um die Schultern

Organisiert von der rechten Volkspartei: Protest gegen die geplante Amnestie in Spanien Foto: Guillermo Gutierrez Carrascal/imago

MADRID taz | „Verräter“, „Diktator“, „Verbrecher“ sind noch die harmlosesten Rufe der Demonstranten, die seit mehr als einer Woche gegen das Amnestiegesetz für katalanische Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten auf die Straße gehen.

Am Sonntag bildeten Kundgebungen in den 52 Provinzhauptstädten Spaniens den vorläufigen Höhepunkt der Bewegung. Die konservative Partido Popular (PP) hatte zu den Protesten aufgerufen. Gekommen waren Hunderttausende, darunter auch die Anhänger der rechtsextremen VOX, Koalitionspartner der PP in weit über 100 Städten und Gemeinden sowie in fünf autonomen Regionen.

„Spanien wird einen Regierungschef haben, der seine Investitur mit der Straflosigkeit seiner Partner erkauft hat“, rief PP-Parteichef Alberto Nuñez Feijóo auf der Kundgebung in Madrid. „Spanien steht nicht zum Verkauf“, antwortete die MProteste werden weitergehenenge. Die PP hatte zu dem öffentlichen Platz Puerta del Sol gerufen, insgesamt 80.000 Teilnehmer zählten die Behörden. Von einer Million Protestierenden sprach die PP. Später korrigierte sie ihre Angaben und sprach von 500.000 Teilnehmern. In ganz Spanien waren es laut Polizeiangaben 450.000 Menschen.

Die Demonstranten, die teilweise Fahnen aus der Zeit der 1975 zu Ende gegangenen Diktatur unter General Francisco Franco mit sich führten, werfen Sánchez vor, „Spanien zu zerstören“, die „Spanier zu erniedrigen“, das Land „für sieben Abgeordnetenstimmen an die Feinde Spaniens zu verkaufen“.

PP-Chef Feijóo formulierte apokalyptische Zukunftsszenarien. Sánchez zerstöre „die Einheit des Vaterlandes“. Die Amnestie öffne die Tür zu einem Referendum für mehr katalanische Selbstbestimmung. „Heute seid ihr hier, weil ihr Prinzipien habt und weil ihr nicht gewillt seid, dass sie sie euch nehmen“, rief der PP-Chef und forderte den Rücktritt des „skrupellosen“ Sánchez und sofortige Neuwahlen. Die Menge geht noch einen Schritt weiter und wünscht sich Sánchez sowie den verhassten, in Brüssel lebenden Katalanen Carles Puigdemont hinter Gittern.

Proteste werden weitergehen

„Wir werden Schlag mit Schlag vergelten“, drohte die PP-Regierungschefin der Hauptstadtregion Madrid, Isabel Díaz Ayuso, unter Applaus. Wie auch Feijóo kündigte sie einen lang anhaltenden Widerstand gegen die künftige Regierung an. Schon am kommenden Samstag mobilisieren Vereinigungen aus dem Umfeld der PP und VOX in ganz Spanien nach Madrid – zwei Tage vor dem 20. November, dem Todestag von Diktator Franco, dessen ein Teil der Rechten bis heute Jahr für Jahr gedenkt.

Bis dahin werden wohl die allabendlichen Proteste vor der Zentrale von Sánchez’ PSOE in Madrid weitergehen. Dort mischen sich Vermummte Neo-Franquisten unter die Demonstranten. Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen. Die Menge fordert dabei lautstark eine „Nationale Erhebung“, so wie einst 1936, als der spätere Diktator Franco gegen die demokratische Republik putschte und Spanien in einen mehrjährigen Bürgerkrieg führte.

PP und VOX machen alles mobil, was sie nur mobil machen können. Konservative Richterverbände, Anwaltskammern, regionale Ärztevereinigungen, Steuerprüfer und Beamtenverbände reihen sich in den Chor der Amnestiegegner ein. Die konservative Mehrheit im Obersten Gerichtsrat, der dank einer Blockade der PP im Parlament seit fünf Jahren nicht wie in der Verfassung vorgeschrieben erneuert wurde, spricht von einem „Angriff auf den Rechtsstaat“ und bittet die EU um Hilfe.

Natürlich dürfen auch die rechten Berufsverbände der Polizei und der paramilitärischen Guardia Civil nicht fehlen. Die „Vereinigung pro Guardia Civil“, die vor allem in der mittleren Führungsebene der Truppe Einfluss hat, veröffentlichte ein Kommuniqué: „Wir sind bereit unser Blut bis zum letzten Tropfen für die Souveränitat Spaniens und verfassungsmässige Ordnung zu vergießen“, heißt es darin. Das Innenministerium überwacht die Vereinigung seither.

Hinweis: In der ersten Version des Textes wurde die Guardia Civil als Vereinigung bezeichnet. Wir haben das korrigiert.

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