Die Wahrheit: Die Schnur in der Nasszelle

Teppich im Badezimmer, Essig zu Chips? Das müssen Engländer sein. Ein wahrhaft merkwürdiges Volk, ist es nicht?

Engländer an sich sind ein ulkiges Volk. Erst stimmen sie für den Brexit, weil sie keine Ausländer bei sich zu Hause haben wollen, dann schicken sie Bettelbriefe an die Ausländer, die trotzdem noch im Land sind. Die Londoner Regierung hat Tausende Deutsche gebeten, sich hinter das Lenkrad eines Lastwagens zu klemmen. Mehr als ein Viertel der britischen Tankstellen sitzt nämlich auf dem Trockenen, weil es keine Lkw-Fahrer gibt.

Und deutsche Führerscheine, die vor 1999 ausgestellt wurden, berechtigen dazu, einen Siebeneinhalbtonner zu fahren. Die meisten dieser Führerscheininhaber sind in ihrem Leben höchstens einen Volvo Kombi gefahren. Zwei von ihnen erzählten dem Independent, dass sie trotz des verlockenden Angebots lieber weiter als Investmentbanker und Uni-Dozent arbeiten wollen.

Der Rest der Welt schaut dem Treiben amüsiert zu. Aber schon früher hat man sich über die Exzentrik des Inselvolks gewundert. Die Badezimmer zum Beispiel. Warum um alles in der Welt legt man es mit Teppichen aus? Und warum ist der Lichtschalter an der Decke angebracht und mit einer langen Schnur versehen, an der man ziehen muss, um das Licht einzuschalten?

Mischbatterien sind in England ebenfalls unbekannt, es gibt für kaltes und heißes Wasser getrennte Wasserhähne. Dafür gibt es allerdings eine einleuchtende Erklärung. Das kalte Wasser fließt direkt aus der Hauptleitung, während das warme Wasser in den meisten Häusern aus einem Kupferkessel im Dachboden kommt. Der Kessel ist mit einer Art Tauchsieder versehen, der rechtzeitig eingeschaltet werden muss, wenn man später baden möchte. Da der Kessel im Laufe der Jahre nicht nur außen Patina ansetzt, sollte man das Wasser nicht trinken.

Name, Adresse, Geburtsdatum

Das englische Justizsystem ist ebenfalls etwas Besonderes. Vor ein paar Jahren hat ein Gericht in York einen Mann, der zwar vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden war, dennoch dazu verurteilt, der Polizei mindestens 24 Stunden vor einem geplanten Geschlechtsverkehr Bescheid zu sagen. Dabei seien Name, Adresse und Geburtsdatum der Partnerin zu nennen.

Apropos Geschlechtsverkehr vor Gericht: Obwohl Prinz Andrew in den USA wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen vor Gericht erscheinen soll, ist man in England noch immer von der maroden Royal Family besessen. Ein Royalist hat im August ein Stück der Zuckerglasur von Prinz Charles’ und Dianas Hochzeitskuchen für 1.850 Pfund ersteigert. Das Marzipanteil ist mehr als 40 Jahre alt, aber einzigartig ist es nicht: Es gab damals mehr als 20 solcher Torten.

Ich werde mich vorerst vor einer Englandreise hüten. Möglicherweise würde ich wegen meines deutschen Führerscheins zwangsrekrutiert. Im Gegensatz zu Investmentbankern und Uni-Dozenten bin ich während meiner Studentenzeit tatsächlich Lkw gefahren.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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