Die Wahrheit: Selbstbedienungshass

Seit man nicht mehr so gut an Selbstbedienungskassen klauen kann, haben die Maschinen jede Art von Charme verloren und gehören bekämpft.

Einkaufen an Selbstbedienungskassen fühlt sich an wie ein Update zum klassischen „Tischtennisball vom Boden aufheben müssen“. Völlig unerwartet wird man mit jeder Menge Hass konfrontiert, die man von diesem leblosen Gegenstand gar nicht erwartet hätte.

Beim Beispiel Tischtennis: Nur einmal daneben gehauen und schon widersetzt sich dir jeder Quadratzentimeter Ball, rollt mit einem fast hämischen Gegacker unter Steine, Passantenfüße oder die Platte. Das runde, weiße Plastik gibt erst dann Ruhe, wenn dir deine komplette Würde genommen wurde und du nach dem Herumkrabbeln auf dem Boden so sehr zitterst, dass keine vernünftige Angabe mehr möglich ist.

Übertragen auf Selbstbedienungskassen bedeutet das, dass man gerade seine Pampelmuse oder Salatgurke eingebongt hat und das Gerät plötzlich wie aus dem Nichts streikt. Jetzt kann man nicht viel mehr machen, als in einer auf einmal viel zu kleinen Hand Duschbad, Dill, Brot, Butter und Käse zusammenzukrampfen und zu versuchen, mit einer der echten Kassierkräfte Blickkontakt aufzunehmen. Vielleicht ziehst du noch langsam die Schultern nach oben, während der Kopf in einer gegenläufigen Bewegung nach unten geht – einfach, weil du innerlich so sehr gebrochen bist. Die Maschine macht derweil nervige Geräusche, weil sie es kann.

Seit ich vor allem in Läden einkaufe, bei denen man an den Selbstbedienungskassen nicht mehr so einfach klauen kann, hat meine Begeisterung für diese Maschinen rapide abgenommen. Eigentlich sind Selbstbedienungskassen die mieseste technische Erfindung der letzten Jahre, aber kein Mensch redet darüber. Wieso tritt niemand Selbstbedienungskassen um und schmeißt sie in den Fluss? Wieso schneidet niemand die Reifen von Selbstbedienungskassen auf, steckt ein Stückchen Kohlenanzünder hinein und fackelt sie dann ab?

Witze über meine Körperteile nehmen mich weniger mit

Ich kann mir nicht vorstellen, was mir reale Kassierer vor dem Bezahlen ins Gesicht schleudern sollten, damit die ganze Einkaufserfahrung schlechter ist als an der Selbstbedienungskasse. Ich glaube zum Beispiel, dass mich – so selbstbewusst bin ich – Witze über alle meine sichtbaren Körperteile weniger mitnehmen würden. Die Kassierer fragen mich, ob ich den Bon haben möchte, ziehen ihn im letzten Moment aber doch weg? Kein Problem! Ich kann zum Beispiel immer noch so tun, als ob ich mir nur durch die Haare streichen wollte.

Fast alle Einkäufer haben dieselben Schwierigkeiten wie ich – fast. Klassischerweise wird in jeder Löwen-Doku im Fernsehen der alte Anführer von einem jungen, aufstrebenden Männchen aus dem Rudel gedrängt. Warum muss es bei mir dann ein junggebliebener Mittfünfziger mit Basecap und Slim-Fit-Blue-Jeans sein, der lässig seine Strichcodes durch das Lesegerät winkt? Es ist ein ganz besonderer Schmerz, mit technischen Neuerungen schlechter umgehen zu können, als Männer, die mein Vater sein könnten.

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kari

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