Die Wahrheit: Nationaler Langsam-Tag

Radarfallen-Abzocke gibt es auch in Irland. Unser Autor Schmidtchen Schleicher hatte Glück und wurde nicht geblitzt. Im Gegensatz zu vielen anderen.

Noch mal Glück gehabt. Vorigen Montag, pünktlich zum Schulbeginn, war in Irland „National Slow Down Day“ – der Tag, an dem die Autofahrer langsam fahren sollten. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, lauerte die Polizei, bewaffnet mit Radarkameras, an den Straßenrändern.

Ich war auf der schmalen Landstraße im Westen der Insel auf dem Weg nach Galway. Vor mir fuhr ein Wohnmobil aus den Niederlanden. Holländer gelten als Schnecken, weil sie ihre Unterkunft stets dabeihaben und sich ähnlich langsam fortbewegen. Diesmal war es mein Glück. Ich konnte dem Uniformierten, der sein Radar wie ein Gewehr auf mich gerichtet hatte, beim langsamen Vorbeifahren höhnisch zuwinken, diesmal bekam meine Strafzettelsammlung keinen Neuzugang.

Andere hatten weniger Glück. Binnen zehn Stunden gingen den Beamten 250 Autofahrer in die Radarfallen. Einer war um 61 Kilometer pro Stunde zu schnell, was ihn vorübergehend zum Fußgänger machen wird. Von den 100.000 Autos, die gemessen wurden, hielten sich 0,25 Prozent nicht an das Tempolimit.

Das spülte einen Batzen Bußgeld in die Staatskasse. Deshalb soll die Zahl der Radargeräte um 20 Prozent erhöht werden. Die Kosten amortisieren sich im Handumdrehen, frohlockte Justizministerin Helen McEntee, denn dank der Aufrüstung könne man die Fallen 9.000 Stunden im Monat betreiben.

Speed kills

Außerdem will sie das System der Strafpunkte reformieren. Zurzeit kann man nur für ein Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn man nicht angeschnallt zu schnell fährt und dabei telefoniert, wird man nur für die Raserei bestraft. Künftig soll es für jedes Vergehen Punkte hageln, so dass man im Nu den Führerschein los ist.

Auch sollen die Geschwindigkeitsbegrenzungen überprüft werden. Bisher setzte man vor allem auf Warnschilder „Speed kills“, womit nicht die Drogen gemeint sind. Bei uns auf der schmalen Landstraße darf man streckenweise 100 fahren, was den Einnahmen durch Radarfallen abträglich ist, denn wer noch schneller fährt, landet im Meer und muss sich über Bußgelder keine Gedanken mehr machen.

Die Gründe für den Langsam-fahren-Tag sind einleuchtend: Es gibt bereits jetzt 25 Prozent mehr Verkehrstote als voriges Jahr und sogar 40 Prozent mehr als 2021. Allein im August starben 25 Menschen bei Verkehrsunfällen. Einer davon war unser Bekannter Jerry, der mit seinem Motorrad unterwegs war, als ihm eine französische Kleinfamilie mit ihrem Auto auf der falschen Straßenseite begegnete.

Der parteilose Abgeordnete Michael Healy-Rae, der aus einer ländlichen Dynastie stammt, deren Familienwappen eine Schirmmütze und ein Paar Gummistiefel enthält, schlug „weniger glamouröse Maßnahmen“ vor, um die Zahl der Verkehrstoten zu senken: Man solle endlich die Hecken stutzen und das Damwild erschießen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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