Die Wahrheit: Beamte mit Reichweitenangst

Die neu angeschafften Doppeldecker sind viel zu schade für Dublins Straßen. Deswegen beiben die Elektro-Busse meist im Depot.

Busfahren ist in Dublin recht angenehm – wenn denn ein Bus kommt. Irische Busse sind scheu, sie treten nie allein auf, sondern leben in Rudeln. Wenn man lange genug wartet, kann man ein beeindruckendes Schauspiel einer blechernen Herde erleben.

Die Doppeldecker haben Mitteltüren wie ihre Berliner Artgenossen, aber in Dublin werden sie nie geöffnet, denn Iren sind höflich. Die Passagiere steigen vorne aus und bedanken sich beim Fahrer. Erst danach können die neuen Fahrgäste einsteigen.

Neun von zehn Autofahrern haben bei einer Umfrage behauptet, dass sie ihr Auto bei Entfernungen bis zu zwei Kilometern stehen lassen würden. Das ist aber gelogen. Die Transportbehörde gibt sich auch gerne umweltbewusst: Vor gut einem Jahr hat sie 134 nagelneue Elektrobusse für 50 Millionen Euro gekauft, davon 100 Doppeldecker. Seitdem sind sie in verschiedenen Depots in Dublin geparkt. Einen Fahrgast hat noch keiner dieser Busse transportiert – außer Umweltminister Eamon Ryan von den Grünen: „Ich war schwer beeindruckt, wie leise und bequem die Fahrt war“, jubelte er.

Kein Wunder, musste der Bus doch von zwölf Angestellten der Transportgesellschaft geschoben werden, denn die Behörde hatte vergessen, eine Baugenehmigung für Ladestationen zu beantragen. Außerdem hatte man sich beim Verkehrsamt nicht um die Zulassung für den Straßenverkehr bemüht. Das soll nun nachgeholt werden, aber das braucht seine Zeit.

Dennoch will man im nächsten Monat mit der Fahrerausbildung beginnen, was mindestens drei Monate dauert. „Das sind völlig neue Fahrzeuge mit neuen Schaltern und Hebeln und ohne Rückspiegel, sondern mit Monitoren“, sagte ein Sprecher. Kein Mensch wisse, wie weit ein Bus komme, bevor er wieder aufgeladen werden müsse. „Irische Winter, das Gebläse, die Scheibenwischer, die Heizung – das alles saugt Strom von der Batterie.“ Und auf die Erfahrung anderer Länder könne man nicht zurückgreifen, weil es außer in Dublin angeblich kaum elektrische Doppeldeckerbusse gebe.

Ende vorigen Jahres waren gerade mal 3,8 Prozent aller Fahrzeuge des öffentlichen Sektors elektrisch. Das liege an der „Reichweitenangst“, behauptete der Sprecher: „Die Fuhrparkmanager haben Bedenken, dass die Fahrzeuge irgendwo stranden könnten.“ Auf kaum einem Grundstück einer Behörde gibt es eine Ladestation.

Die Beamten planen aber unverdrossen weiter und verpulvern dafür jede Menge Geld – für das Metro-Projekt zum Beispiel. Nachdem man 157 Millionen für mehrere Pläne ausgegeben hat, die allesamt verworfen wurden, will man nun eine Metro zum Flughafen bauen. Vor fünf Jahren hat man dafür drei Milliarden Euro veranschlagt. Inzwischen rechnet man mit 21 Milliarden. Es wird gemunkelt, dass sich die Planer des Berliner Pannenflughafens nach Dublin abgesetzt haben.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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