Die katholische Kirche und die Schuld: Der Papst muss heiraten

In Rom beraten katholische Spitzenfunktionäre über die Missbrauchskrise. Vorbelastete Kleriker werden das kriminelle System jedoch nicht stürzen.

Drei Männer, Papst Franziskus mit zwei Bischöfen

Gut gelaunt zur Missbrauchskonferenz: Papst Franziskus und seine Bischöfe werden nichts verändern Foto: Guiseppe Lami/dpa

Quo usque tandem? Wie lange noch? Ist es diese, die ihr eigene Sprache, die die katholische Kirche einzig versteht, damit auf die Schreie der Missbrauchsopfer endlich die adäquate Antwort erfolgt? Oder muss man sich ihr evangelisch-betulich nähern, mit Kirchentagssprüchen à la „Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied“? Oder bekäme man bei diesem letzten Wort auch wieder nur hypersexualisiertes Gegluckse zur Antwort?

So verschwiemelt jedenfalls reagierte der gewiss – aber was heißt das schon, in der real existierenden katholischen Kirche – über jeden Zweifel erhabene Theologe Ansgar Wucherpfennig, als ihm die Moderatorin am Donnerstag im Deutschlandfunk die harmlose Frage stellte, ob er nicht auch glaube, „dass das Zölibat zumindest aufgeweicht“ gehöre. „Hö, hö, hö“, kicherte Wucherpfennig da, „‚aufgeweicht‘ finde ich ein bisschen unpraktikabel.“ Auf diesem pubertären Niveau bewegt sie sich, die ungefilterte katholische Reaktion auf den massenhaften sexuellen Missbrauch durch Kirchenfunktionäre.

Also: Wie lange noch? Wie lange noch soll man eine Organisation, die mit ihren hausgemachten Kriminellen nicht zurande kommt und sie nicht der Justiz überstellt, eigentlich nicht schlicht eine kriminelle Organisation nennen? Und wie lange wollen die Guten – jene engagierten und klugen Jesuiten, Pfarrer und Bischöfe, die das Zölibat leben ohne andere Menschen zu vergewaltigen –, wie lange wollen sie sich und anderen noch etwas vormachen?

Im menschenfeindlichen System katholische Kirche wäre es ihre Aufgabe, das, was sie unter selbstzerstörerischer Mühe bewältigen, als den zentralen Hort des Übels zu benennen und Schluss zu machen. Damit die anderen Männer, die bei ihrer Morgenerektion nicht an die Jungfrau Maria denken, sondern an den Ministranten vom Abendgottesdienst oder die Nonne im Beichtstuhl, endlich erlöst werden; damit sie endlich, so wie sie essen und trinken und schlafen dürfen, auch als Erwachsene andere Erwachsene lieben dürfen. Die Guten, die Schuldlosen in der Kirche müssen vorangehen, und der amtierende Papst soll seine Köchin heiraten und der emeritierte seinen Sekretär. Damit das Gemetzel anfängt, ein Ende zu nehmen.

Anfängt: Denn das liberale Täterschutznetzwerk rund um die Odenwaldschule hat gezeigt, dass sexuelle Gewalt auch in scheinbar aufgeklärten Biotopen wütet. Aber das muss ausnahmsweise mal nicht die Sorge der katholischen Kirche sein. Sie muss sich vom Zwangszölibat befreien – jetzt.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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